Sucht - Ursachen und Strategien dagegen

12.2 Formen und Ursachen des abweichenden Verhaltens (Schwerpunkt stoffgebundene Sucht) Version 08 mit in dem Text integrierten Aufgaben

1. Begriffsbestimmung

Der Begriff Sucht wird fälschlicherweise vom Volksmund von dem Wort "Suche" abgeleitet. Dies ist sprachwissenschaftlich nicht korrekt, trotzdem hat der Gedanke etwas für sich.


Sucht ist Suche.
Suche nach nie Erlebtem.


Tatsächlich scheint es so zu sein, dass durch ganz bestimmte Prozesse im Gehirn das Befriedigen von stoffgebundenen Süchten scheinbar intensivere Erlebnisse möglich machen, als dies durch „normale“ Erfahrungen möglich ist.
Im weiteren Verlauf des Textes wird dargestellt, wie die Befriedigung von Süchten bzw. Abhängigkeiten als Belohnung erlebt werden und so im Sinne von operanter Konditionierung verstärkt werden.

1.1 Sucht- was ist das?
Der Begriff Sucht stammt jedoch ursprünglich aus heutiger wissenschaftlicher Sicht von dem Wort „Siech“ und beschrieb einen kranken Menschen. Inzwischen ist der Begriff Sucht durch den Begriff Abhängigkeit von der WHO abgelöst worden.
Legale Drogen wie Alkohol und illegale Drogen wie Cannabis, Halluzinogene, Betäubungsmittel (Heroin, Opiate), Aufputschmittel (Kokain, Amphetamin) und synthetische Drogen können im zentralen Nervensystem Wirkungen ausüben, die seelische, körperliche, pharmakologische und soziale Konsequenzen und Auswirkungen zur Folge haben.

1.2 Stoffliche und nicht stoffliche Süchte
In der Fachsprache wird zwischen stoffliche und nicht-stoffliche Süchte unterschieden. Zu den nicht-stofflichen Süchten gehören Verhaltensstörungen wie gestörtes Essverhalten in Form von Fettsucht, latente Fettsucht, Ess-/Brechsucht oder auch Magersucht.
Darüber hinaus gibt es Süchte bezogen auf den Fernsehkonsum, auf Spielen, auf Geltungssucht, Sexualität und der Konsum von Kauferlebnissen können ebenfalls zur Sucht werden.
Im Folgenden werden wir uns jedoch auf die stofflichen bzw. stoffgebundenen Süchte wie Alkoholsucht, Nikotinsucht, Cannabis- oder Heroinsucht konzentrieren bzw. beschränken.

1.2.1 Relevanz für Jugendliche
Das Thema Sucht ist deshalb besonders wichtig, im Rahmen eines Leistungskurses Erziehungswissenschaft bzw. Pädagogik zu bearbeiten, da Jugendliche besonders gefährdet sind durch den Stress ihrer Entwicklungsaufgaben und ihrer Unsicherheiten im Zusammenhang mit ihrer Identitätsbildung.
Die mangelnde Perspektive einen Ausbildungsplatz zu bekommen oder eben nicht, Ärger mit den Eltern, Probleme mit dem anderen Geschlecht, können die Ursache dafür sein, durch Suchtmittel ein scheinbar leichteres, freundlicheres und zufriedeneres Leben zu führen. Neugier und die rauschartige Ekstase, die durch die chemische Beeinflussung des Gehirns als positives Erlebnis wahrgenommen wird, kann ein angeblich besseres Erlebnis sein als der triste Schulalltag. Ursache bzw. Motivation für das jugendliche Konsumieren von Drogen kann die Suche nach dem „Kick“ sowie die Verweigerung gegenüber den bestehenden Gesellschaftsverhältnissen, dem Sozialisationsdruck, sein.



1.3 Definition: Drogenabhängigkeit

Die WHO führte 1964 folgende Definition für den Begriff Drogenabhängigkeit ein:

"Drogenabhängigkeit ist ein Zustand psychischer oder psychischer und physischer Abhängigkeit von einer Substanz mit zentralnervöser Wirkung, die zeitweise oder fortgesetzt eingenommen wird.“

Die psychische, also seelische Abhängigkeit wurde als ein „unbezwingbares, gieriges, seelisches Verlangen mit der Einnahme der Droge fortzufahren und sich die Droge um jeden Preis zu beschaffen“ beschrieben. Auch die, von Jugendlichen oft bagatellisierte (=verharmloste) Cannabis kann zur psychischen Abhängigkeit führen. Dies bedeutet, dass im fortgeschrittenen Stadium Süchtige nicht mehr aufhören können, ohne medizinische oder therapeutische Hilfe diese Drogen einzunehmen.

Arbeitsaufgaben zur Selbstüberprüfung und für die Plenumsphase
1. Benennen und erklären Sie Ursachen von stoffgebundenen Süchten
2. Nennen Sie die Definition für Sucht- bzw. Abhängigkeit, die die WHO (Weltgesundheitsorganisation) formuliert hat.

2. Pressebeispiel zum Thema Abhängigkeit
Immer weniger Rauschgifttote, aber ...
Bätzing warnt vor Verharmlosung von Alltagsdrogen
Berlin - Die Zahl der Drogentoten in Deutschland ist im sechsten Jahr in Folge zurückgegangen und auf den niedrigsten Stand seit 1989 gesunken. Auf der anderen Seite fangen aber viele Jugendliche immer früher an zu rauchen oder übermäßig Alkohol zu trinken. Das geht aus dem Drogen- und Suchtbericht hervor, den die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Sabine Bätzing (SPD), am Donnerstag in Berlin vorlegte. Demnach starben im vergangenen Jahr 1296 Menschen durch den Konsum illegaler Drogen, 30 weniger als im Jahr 2005. Rund 1,6 Millionen Menschen gelten als alkoholabhängig.

1,6 Millionen Alkoholabhängige

Mehr als zehn Millionen Menschen in Deutschland trinken laut Bätzing "in riskanter Weise" Alkohol, also mehr als ein oder zwei Gläser Bier am Tag. Von den 12- bis 25-Jährigen greift dem Bericht zufolge jeder Fünfte regelmäßig zum Glas oder zur Flasche. 1,6 Millionen Menschen gelten als alkoholabhängig, weitere 1,7 Millionen Menschen praktizieren einen gesundheitsschädigenden, missbräuchlichen Alkoholkonsum.

Mit Blick auf wiederholte Alkoholexzesse unter Jugendlichen warnte Bätzing eindringlich vor einer Verharmlosung von Alltagsdrogen. Auch wenn der Alkoholkonsum unter Jugendlichen insgesamt rückläufig sei, beginne ein Teil der Jungen und Mädchen immer früher und exzessiver zu trinken, sagte sie. Die Gesellschaft müsse den jungen Menschen deshalb einen zurückhaltenden, maßvollen Konsum vorleben.

Das von Unionspolitikern angeregte Verbot so genannter Flatrate-Parties lasse sich nur schwer durchsetzen, sagte Bätzing. Sie verwies aber darauf, dass sich der Alkoholmissbrauch bereits mit den bestehenden Gesetzen effektiv bekämpfen lasse. Die Regelung, dass Bier erst ab 16 Jahren und Schnaps erst ab 18 Jahren erlaubt sei, gelte auch für Flatrate-Parties - ebenso wie das Verbot für Gastwirte, Alkohol an Betrunkene abzugeben. Die zuständigen Stellen in den Kommunen müssten die Einhaltung der Jugendschutzbestimmungen und des Gaststättenrechts stärker kontrollieren.

Alltagsdrogen ein gesellschaftliches Problem

Der Missbrauch von Alltagsdrogen sei kein Randgruppen-, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem, sagte Bätzing und rief zu einem verantwortungsbewussten und maßvollen Konsum auf. Jeder Einzelne müsse sich immer wieder die Frage stellen: "Wann ist selbst wenig zu viel?" Rund 140.000 Menschen sterben laut Bätzing jährlich an den Folgen des Tabak- und 40.000 an den Folgen des Alkoholkonsums. Der Pro-Kopf-Konsum von mehr als 10 Litern reinen Alkohols pro Jahr sei in Deutschland im internationalen Vergleich weiterhin hoch.

Mit Blick auf die geplanten Nichtraucherschutz-Gesetze in Bund und Ländern sprach Bätzing von einem "großen und erfolgreichen Schritt", plädierte aber erneut für möglichst klare Verbote ohne Ausnahmen auch in der Gastronomie. Zudem gab sie das Ziel aus, die Raucherquote unter Jugendlichen bis 2008 von derzeit 20 auf 17 Prozent zu senken.

Dem Drogenbericht zufolge sind zwischen 1,4 und 1,9 Millionen Menschen medikamentenabhängig. Zwei Drittel davon seien Frauen. Etwa 200.000 Freizeitsportler nehmen regelmäßig Doping-Mittel zu sich. Allerdings gebe es bislang nur wenige Daten zum schädlichen Gebrauch und zur Abhängigkeit von Arzneimitteln, räumte die Drogenbeauftragte ein. Ärzte, Apotheker, Pfleger und Sozialarbeiter müssten stärker für diese Problematik sensibilisiert werden.

Abgabe von künstlichem Heroin ein "Erfolg"

Die Projekte zur Abgabe von künstlichem Heroin (Diamorphin) an Schwerstabhängige in mehreren deutschen Städten bezeichnete Bätzing als "Erfolg". Sie rief die Union erneut auf, ihren Widerstand gegen eine gesetzliche Regelung zur Fortführung der Projekte aufzugeben. Gleichzeitig kündigte Bätzing einen verstärkten Kampf gegen missbräuchlichen Cannabis-Konsum unter Jugendlichen an. Rund zwei Millionen vorwiegend junge Menschen konsumieren dem Bericht zufolge regelmäßig Cannabis, bis zu 400.000 gelten als abhängig. Mehr als ein Viertel der Jugendlichen hat Cannabis bereits mindestens einmal probiert.

Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) rief dazu auf, verstärkt nach den Ursachen für den hohen Konsum von Alkohol, Zigaretten und Medikamenten zu forschen. "Die Frage ist: Warum brauchen wir für unsere tägliche Lebensbewältigung immer stärker Suchtmittel", sagte DHS-Geschäftsführer Rolf Hüllinghorst der Deutschen Presse-Agentur. "Es raucht ja keiner, weil ihm das Nikotin so gut schmeckt, sondern weil er kurzfristig eine Entlastung sucht." (joe/dpa/AFP)
• Rangliste: Das sind die 20 gefährlichsten Drogen
• http://lifestyle.aol.de/FitGesund-Krankheiten/Diese-Drogen-sind-gefaehrlicher-Ecstasy-1746828816-0.html
• Test: Haben Sie ein Alkoholproblem?
• http://lifestyle.aol.de/FitGesund-FitnessSpecial/Lebensgefahr-geht-Leber-2054372558-0.html
• Fit & Gesund: So werden Sie zum Nichtraucher
• http://lifestyle.aol.de/FitGesund-Krankheiten-Nichtraucher/Lebensgefahr-geht-Leber-2054372558-0.html
• Artikel vom 3. Mai 2007
Weitere Infos im Internet
• Bundesregierung.de: Der Suchtbericht 2006
• http://www.bundesregierung.de/nn_1264/Content/DE/Artikel/2007/05/2007-05-03-weniger-drogentote-in-deutschland.html

Arbeitsaufgabe:
3. Fassen Sie mit eigenen Worten den Inhalt des obigen Presseartikels schriftlich zusammen.


3 Gefährliche Drogen im Einzelnen
Diese Drogen sind gefährlicher als Ecstasy
Sie sind gefährlicher als LSD, Ecstasy oder Cannabis und in jedem Supermarkt oder Lotto-Laden zu haben: Die Alltagsdrogen Alkohol und Nikotin. Eine neue Drogenrangliste offenbart die 20 gefährlichsten Gifte.
Man mag es kaum glauben, aber es sind nicht immer illegale Drogen deren Konsum zum Tode führen kann. Auch Alltags-Gifte, die es überall zu kaufen gibt, wie Alkohol und Nikotin, sind lebensgefährlich. Eine neue Drogen-Rangliste belegt sogar, dass sie zu den zehn schädlichsten Drogen gehören.

Das ergab eine Studie britischer Wissenschaftler. Zusammen mit einer Expertengruppe aus Medizinern, Chemikern, Apothekern, Polizisten und Psychiatern untersuchten sie 20 legale und illegale Rauschmittel. Ausschlaggebende Kriterien dabei waren, welchen körperlichen Schaden die Substanz verursacht, wie stark sie abhängig macht und wie sich der Konsum auf die Gesellschaft auswirkt.

Alle Experten kamen zum gleichen Ergebnis: Heroin und Kokain sind die gefährlichsten Drogen. Dann folgen Barbiturate und illegal verkauftes Methadon. Alkohol rangiert schon auf dem fünften Platz, Tabak landete an neunter Stelle.

Allein in Deutschland sterben jährlich 40.000 Menschen an den Folgen von Alkoholmissbrauch und etwa 120.000 am Tabakkonsum.

1. Heroin
Das Heroin ist ein halbsynthetisches, stark schmerzlinderndes Opiat mit einem sehr hohen Abhängigkeitspotential.
2. Kokain
Kokain ist ein starkes Stimulans und eine weltweit verbreitete Rauschdroge mit hohem Abhängigkeitspotenzial.
3. Barbiturate
Barbiturate ist ein Sammelbegriff für verschiedene Beruhigungs- und Schlafmittel, die auf das zentrale Nervensystem wirken. In geringen Dosierungen wirken sie beruhigend und schlaffördernd. Überdosierungen können zu Atemlähmungen mit Todesfolge führen.
4. Methadon (illegaler Handel)
Methadon ist ein vollsynthetisch hergestelltes Opioid und wurde als Ersatzstoff für Heroin bekannt. Mit den Methadon-Programmen sollen Abhängige aus der Kriminalität geholt werden. Wird Methadon unkontrolliert genommen, führt auch die Ersatzdroge in die Abhängigkeit.
5. Alkohol
Alkohol wird von vielen unterschätzt, aber es ist eine Droge - es berauscht und macht psychisch und physisch abhängig.
6. Katamin
Ketamin wird in der Notfallmedizin, zur Narkose und zur Behandlung von Asthma eingesetzt wird.

In der Szene-Sprache wird es unter anderem als Special-K, Kate oder Vitamin-K bezeichnet. Es führt zu ausgeprägten Halluzinationen.
7. Benzodiazepine
Benzodiazepine sind in den meisten Schlaf- und Beruhigungsmitteln enthalten. In der Szene spielen sie als Ersatz- oder Ausweichdrogen eine immer größere Rolle. Streetnames sind: Nerve Pills, Canasson Rouge, Blues, Yellows, Ruffies, Tranks oder Downers.
8. Amphetamine
Amphetamine werden synthetisch hergestellt und können aufputschend wirken und Halluzinationen auslösen. In der Szenesprache wird es auch als Speed oder Pep bezeichnet.
9. Nikotin
Die getrockneten Blätter der Tabakpflanzen, enthalten Nikotin, das beruhigend, aber auch anregend wirkt und körperlich abhängig macht.

Die Langzeitfolgen von Rauchen sind schwere Schädigungen der Atemwege (Asthma), Lunge und Herzgefäße sowie ein erhöhtes Krebsrisiko.
10. Buprenorphin
Buprenorphin ist ein halbsynthetisches Schmerzmittel und wird im Rahmen einer medizinischen und psychosozialen Gesamtbehandlung anstelle von Heroin verabreicht.
Arbeitsaufgabe:
4. Zeichnen Sie eine Mind-Map zu den verschiedenen Drogen!
4. Entstehung und Ursachen von Süchten bzw. Abhängigkeiten
Im Folgenden werden Theorien angesprochen, die monokausale, also jeweils von einer Ursache ableitend die Entstehung von Sucht bzw. Abhängigkeit erklären.

Es handelt sich bei diesen psychologischen bzw. pädagogischen Erklärungsmodellen um
- das psychoanalytisch orientierte Erklärungsmodell
- das verhaltensorientierte (=behaviorale) Erklärungsmodell
- das sozial-kognitive orientierte Erklärungsmodell nach Bandura und

4. 1 Erklärung von Abhängigkeit anhand der operanten Konditionierung
Die operante Konditionierung funktioniert folgendermaßen:

Es erfolgt ein diskriminativer Reiz (DS), d. h. ein bestimmtes Signal, das einem Menschen sagt, wann eine bislang erfolgreiche Reaktion auszuführen ist = OPERANTE REAKTION (OR)  Verstärkung (RS) bzw. ein Reiz, der die operante Reaktion verstärkt. Ein typisches Beispiel wäre die folgende schematische Darstellung bezüglich der Entstehung einer Spielsucht:

Roulette  Spielen  Belohnung
(DS) (operante Reaktion) (operante Reaktion)

Skinner erforschte die operante Konditionierung, indem er eine Ratte in einen Käfig sperrte, wo sie sich durch Bedienung verschiedener Hebel Futter, Wasser oder Licht, also letztendlich Elemente, die zu einem Wohlbefinden führten, verschaffen konnte. Mit der Zeit lernte die Ratte, wie sie mit ihrem Handeln ein bestimmtes Resultat, nämlich ein erwünschtes Resultat, z. B. ein angenehmer Zustand erzielen konnte. Skinners Arbeit beruht auf einem grundlegenden Lernprinzip, das von Thorndike entdeckt wurde und das als Effektgesetz bekannt ist. Es besagt, dass Reaktionen, die zu einer befriedigenden Konsequenz führen, verstärkt werden, also in Zukunft häufiger vom Menschen angewendet werden. Außerdem werden Reaktionen erlernt, mit deren Hilfe sich unangenehme Reize vermeiden lassen.

Skinner konzentrierte sich vor allem auf die Tatsache, dass belohntes Verhalten verstärkt wird und sich wiederholt. Er entwickelte eine Verhaltenstechnik, mit deren Hilfe er Tieren wie Tauben und Ratten erstaunliche Verhaltensweisen ermöglichte. Wenn wir dieses Prinzip der operanten Konditionierung auf das Thema Drogensucht übertragen, ist folgende wissenschaftliche Erkenntnis wichtig.

Forscher fanden heraus, dass sich mit Drogen das Belohnungszentrum im Gehirn eines Menschen ähnlich aktivieren lässt wie mit Elektroden. Suchtstoffe lassen sich geradezu danach qualifizieren, wie stark ihre Wirkung auf diese Hirnregion ausfällt. „Kokain z. B. aktiviert das Belohnungszentrum des Gehirns zwanzigmal stärker als eine positive menschliche Begegnung“, sagt der Berliner Suchtmediziner Eckhart Roediger, „das erleichtert unsere therapeutische Arbeit nicht gerade“.

Greifen Menschen aufgrund eines Unwohlseins, Frust, Stress usw. zu Suchtmitteln, so tritt das Prinzip der operanten Konditionierung in Kraft. Die pharmakologische Wirkung der Droge verändert das Gehirn, es entstehen für den Moment erlebte, angenehme Empfindungen. So scheint das Mittel Dopamin eine besondere Rolle zu spielen. Es werden so genannte Belohnungen, also eine Art Kitzeln für das Hirn, immer häufiger durchgeführt, jedoch scheint das Gehirn irgendwann auf die Wirkung nicht mehr einzugehen, eine Art Gewöhnung bzw. Abstumpfung tritt ein. Damit der angenehme Kick weiterhin erlebt wird, muss der Drogensüchtige die Dosis erhöhen.

4.1 Klassische Konditionierung
Das Prinzip der klassischen Konditionierung kann eine plausible Beschreibung liefern, warum Suchtverhalten immer wieder neu angeregt wird. Die durch Iwan Pawlow entdeckte Reiz-/Reaktionskette des menschlichen Verhaltens lässt sich auch auf Reize wie Biergläser, Alkoholsymbole, Musik, die im Zusammenhang mit Drogenkonsum verinnerlicht wurde und dergleichen, anwenden. Diese Reize wirken als Signale auf ein bereits erlerntes Verhalten und rufen die Reaktion Suchtverlangen hervor.

Dies geht so: Ein neutraler Reiz (das gefüllte Bierglas), der ursprünglich keinerlei Reaktion hervorrief, tritt gleichzeitig oder kurz vor dem Rauscherlebnis "Alkohol" auf. Die mehrfache Koppelung der Reize "Bierglas" und "Alkoholrausch" sorgt allein beim Anblick eines gefüllten Bierglas die Lust zu trinken.


4.2 Sucht und klassische Konditionierung

Klassische Konditionierung erklärt Drogensucht, besonders in der Entstehung. Hier muss der initiale Drogenkonsum als entscheidend angesehen werden. Der Behaviorismus geht von einem Modell aus, in dem die Umwelt mit all ihren verschiedenen Reizen als alleinige Ursache für das Verhalten eines Menschen angesehen wird. Es wird nicht durch genetische Faktoren und auch nicht als Auswirkung eines Reifungsprozesses beeinflusst angenommen, sondern die Umwelteinflüsse alleine bestimmen nach diesem Ansatz das menschliche Verhalten. Durch verschiedene Schlüsselreize wie Ansprachen von Freunden, drogenkulturell geprägte Musik und Gegenstände, Kleidung, kann der Mensch zum Drogenkonsum verführt werden.


Die sozialkognitive Lerntheorie (Imitationslernen) nach Albert Bandura

Die Prinzipien des Imitationslernens gehen davon aus, dass Menschen durch Beobachtung von für sie attraktiven Modellen (Vorbildern) die scheinbar positiven Aspekte des Suchtmittelkonsums lernen. Durch den Versuch, Drogen selber auszuprobieren, erfährt der Jugendliche meistens eine Reihe scheinbar positiver Bekräftigungen durch die Gruppe oder, wie oben beschrieben, durch den Rauschzustand. In den Peergroups kann die Verweigerung von Drogen zumindest kurzzeitige Ablehnung und Isolation nach sich ziehen. Es erfolgt hierbei eine operante Konditionierung des Individuums dadurch, dass es auf ein bestimmtes Verhalten, in diesem Fall der Drogenkonsum, sofort eine bekräftigende Reaktion, also ein Zuspruch „Das hast Du aber cool gemacht!“ erfährt.

In einer wissenschaftlichen Untersuchung wurde festgestellte, dass der größte Teil derjenigen, die zum ersten Mal Heroin ausprobierten, nicht alleine waren sondern von „Freunden“ bzw. Bekannten begleitet und eingewiesen wurden.

Bei einer Fortführung des Drogenkonsums genügen dem Süchtigen schon nach einer kurzen Zeit gelernte Reize der zweiten oder höheren Ordnung, wie zum Beispiel Geselligkeit mit Gleichgesinnten, Musik, Kneipe, Umgebung, die jeweils zeitlich und räumlich mit dem bisherigen Konsum verknüpft waren, um im Sinne der klassischen Konditionierung ein Verlangen nach dem Suchtmittel zu verspüren. Diese Konditionierung kann eine Ursache für die hohen Rückfallquoten bei Drogenkonsumenten sein, trotz erfolgreicher Therapie. Es reichen Auslöser, also soziale Reize, um einen Rückfall zu ermöglichen. Dies ist einer der Gründe, warum Drogensüchtigen oftmals empfohlen wird – wenn möglich – nicht in das soziale Umfeld aus der Zeit des Drogenkonsums zurück zu kehren.

Die operante Konditionierung kommt in diesem Zusammenhang erneut ins „Spiel“, da der Drogensüchtige durch den Konsum lernt, wie er Konfliktsituationen und anderen unangenehmen Situationen des Alltagslebens durch den Suchtrausch „scheinbar“ ausweichen kann. Es entsteht ein Verhaltenskreislauf, der durch das Einnehmen der Drogen Unwohlsein verringert, aber durch die erhöhte, häufigere Drogeneinnahme Entzugserscheinungen unausweichlich macht. Diese wiederum sorgen für eine weitere und stärkere Drogeneinnahme.

Gleichzeitigkeit der Lernprinzipien
Die Prinzipien des Imitationslernens, der klassischen und operanten Konditionierung, finden also quasi parallel statt und werden besonders in Peergroups initiiert. Verstärkt wird dieses Verhalten durch Belastungen in der Schule, und durch Probleme mit den Eltern.

Eine Grenze dieses Erklärungsmodells ist dort erkennbar, wo kaum auf mögliche Ursachen in der Gesellschaft Bezug genommen wird.

Ursachenerklärung zur Entstehung von stoffgebundener Sucht aus psychoanalytisch orientierter Sicht
Die von Sigmund Freud begründete Psychoanalyse geht davon aus, dass die wesentlichen Funktionen der menschlichen Persönlichkeit im späteren Leben durch frühe Kindheitserfahrungen während des Entwicklungsprozesses geprägt werden.
Bezogen auf die Suchtentstehung und dem Drogenkonsum wird daher die Persönlichkeit des Kindes besonders in den Vordergrund der Betrachtung gerückt.
Die Psychoanalyse geht davon aus, dass das frühkindliche Verhältnis zu einer wichtigen Bezugsperson, meistens die Mutter, die Hauptursache für das Entstehen von Sucht ist. Wird das Kind z. B. durch die wichtigste Bezugsperson vernachlässigt, so entsteht eine große Enttäuschung im Umgang mit Liebes- und Vertrauensverhältnissen. Das Kind wird derart intensiv verunsichert, dass ein übersteigertes Sicherheits- und Befriedigungsbedürfnis in späteren Entwicklungsphasen der Persönlichkeit entstehen kann. Die durch diese frustrierenden Erlebnisse entstehende Angst vor neuen möglichen Enttäuschungen verhindern eine ausgeglichene Persönlichkeitsentwicklung und die Bereitschaft, Frustration ein gewisses Maß tolerieren zu können.

Sucht und Regression
Die Psychoanalyse kennt den Begriff der Regression, also das Zurückfallen in frühkindliche Phasen als Abwehrmechanismus gegen Umwelteinflüsse, die die Entwicklung des Ichs gefährden. So sieht Böllinger eine sich entwickelnde Drogensucht in der Jugend als Abwehrmechanismus, als Regression zurück in die orale Phase (1. Lebensjahr).
Die Droge und das mit ihr verbundene „Glücksgefühl“ wird zur „Ersatzmutter“ und versucht, die unbefriedigende Realität durch ein Rauschmittel zu ertragen. Aber nicht nur der Verlust der Mutter bzw. ihrer Liebe, sondern auch das Gegenteil kann aus Sicht der Psychoanalyse Ursache für Drogenkonsum sein.

Übermutter
Die entgegen gesetzte Erfahrung, also die der übertriebene Verwöhnung und auch die der Dominanz in Form einer Übermutter kann spätere Suchttendenzen erklären. Hierbei entsteht der Abwehrmechanismus „Fixierung“ des Süchtigen auf eine Lebensphase völliger Sicherheit. Die von Erikson beschriebenen krisenhaften Entwicklungen in späteren Lebensabschnitten, die sich auch in Form von Identitätskrisen äußern, werden wieder erlebbar und spürbar in Form von Ohnmachtserlebnissen gegenüber Bezugspersonen sowie Autoritätskonflikte mit diesen. Das Suchtmittel hilft, diesen unangenehmen Realitätserfahrungen durch Kompensation zu umgehen.

Erziehung in der vorherrschenden Gesellschaft
Eine weitere Ursache des Drogenkonsums ist nach Meyenberg und Miller die vorherrschende Erziehungspraxis und Pädagogik der westlichen Gesellschaft. Hiernach ermöglicht erst die Sucht nach einer Droge besonders bei Jugendlichen ein Gefühlsleben, welches ihnen im Rahmen ihrer bisherigen Sozialisation in einer Gesellschaft, die nicht wegen übergroßer Kinderfreundlichkeit berühmt sei, verwehrt wurde.

5. Arbeitsaufgabe: Beschreiben Sie mit eigenen Worten mögliche Ursachen von Abhängigkeit.
6. Definieren Sie die Begriffe: Behaviorismus, klassiche Konditionierung, operante Konditionierung und Regression.

Grenzen des psychoanalytischen Erklärungsansatzes
Die Tatsache, dass viele Menschen in Ihrer Kindheit ähnlich problematische Erfahrungen wie oben beschrieben gemacht haben und dass sie trotzdem nicht abhängig von Drogen wurden, lässt darauf schließen, dass es weitere Ursachen für eine Suchtentstehung geben muss.

Sozialpsychologische Kausalitätserklärungen
Die Psychoanalyse und die Lerntheorie werden zur Erklärung der Suchtentstehung in dem so genannten sozialpsychologischen Ansatz verknüpft. Klaus Hurrelmann und Erik Erikson haben in ihren Arbeiten hinreichend dargelegt, dass der Sozialisationsprozess innerhalb der Jugendphase, also das Handeln mit der Gesellschaft das gegenseitige Anpassen von Jugendlichen und Gesellschaft zahlreiche Entwicklungsanforderungen an den jungen Menschen stellt. Wenn diese Entwicklungsschritte zu einer eigenen Identität problematisch verlaufen, kann es sein, dass Jugendliche sich aktiv und produktiv mit ihrer Realität in Form von Ursachenanalyse und Bearbeitung auseinander setzen oder der Jugendliche reagiert unproduktiv, kompensatorisch, also ausweichend, durch den Genuss von Drogen. Die unproduktiven Formen der Realitäts- bzw. der Problemverarbeitung, können sich auf die Umwelt oder auf die eigene Person beziehen. Findet eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Selbst statt, werden vom Jugendlichen oft Prinzipien der selbstzerstörerischen Gesundheit gefährdenden Art angewandt.
Der Drogenkonsum, aber auch die Jugendkriminalität sowie auch die Bereitschaft zur Gewalt und Aggression sind hierfür Beispiele.

7. Erklären Sie mit eigenen verständlichen Worten die sozialpsychologischen Kausalitätserklärungen des Suchtproblems

Der sozialpsychologische Ansatz versucht Fragen zu beantworten, warum Entwicklungsprobleme innerhalb der Jugendphase bei einigen Jugendlichen zur stoffgebundenen Sucht führen. Der sozialpsychologische Ansatz geht also davon aus, dass gleichermaßen psychoanalytische Abwehrmechanismen und damit verbundene Kompensationshandlungen und die Prinzipien der operanten und klassischen Konditionierung die Ursache für Drogensucht sind.


Der multifaktorielle Ansatz zur Erklärung der Entstehung von Drogenabhängigkeit und Sucht

Der multifaktorielle bzw. multikausalen Erklärungsansatz geht davon aus, dass zur Entstehung von Drogenabhängigkeit nicht die eine Ursache maßgeblich ist.

Eine Vielzahl von verschiedenen Ursachen, die sich teilweise gegenseitig bedingen und gegenseitig unterstützen, können als Erklärung angesehen werden, warum Sucht entstehen kann. Ein derartiger multikausaler Erklärungsansatz darf jedoch nicht als durchgehendes Erklärungsmodell angesehen werden, sondern es geht um eine übergeordnete Perspektive des Verständnisses, warum stoffabhängige Süchte entstehen.

Bis zu diesen Ausführungen haben wir uns lediglich mit so genannten monokausalen Erklärungsversuchen beschäftigt. Da wir aber zu all diesen Erklärungsversuchen viele Beispiele anführen können, bei denen Menschen trotz der widrigen Erlebnisse nicht suchtgefährdet wurden, schauen wir uns im Folgenden multikausale Erklärungsmodelle an.

Das Suchtentstehungs-Viereck
Sucht ist das Ergebnis einer Entwicklung, in der das Suchtmittel bzw. die Droge dem Menschen und das Milieu, also die soziale Umgebung, die wichtigsten Ursachen darstellen. Es gibt verschiedene Entwürfe einer einigermaßen zuverlässigen Suchttheorie. Das Suchtentstehungs-Viereck geht von folgenden Annahmen aus:

1. M = Mensch

Hierzu gehören die Theorien, die von der Beziehung des Menschen zu sich selbst ausgehen, d. h. die davon ausgehen, dass die Persönlichkeit aufgrund der Kindheit und Jugend Defizite, also Mängel aufweist.

2. M = Milieu

Hier geht es um Theorien, die von der Beziehung des Menschen zu anderen Menschen ausgehen und die auf die psychosoziale Interaktion und eventueller sozialer Abweichungen abheben. Relevant für diese Aspekte sind die familiäre Situation, der Beruf, die ökonomische Lage, der soziale Status und teilweise auch die Religion.

3. M = Markt

Hier geht es um Theorien, die von der Beziehung des Menschen zur Gesellschaft ausgehen, dabei wird der gesellschaftliche Einfluss, die Lerntheorie, die zum Drogenmissbrauch geführt hat, in den Mittelpunkt gestellt.

4. M = Mittel

Hier handelt es sich um Theorien, die von der natürlichen Anlage des Menschen ausgehen. So zum Beispiel die Theorie über die Verhaltensweisen, die sich nach Lust und Wohlbefinden orientieren. Auch viele biologische bzw. bioanthropologische Theorien sind hier relevant. Dabei wird die Art der Einnahme der Drogen, die Dauer sowie auch die Dosis und die individuellen menschlichen Reaktionen auf die jeweilige Droge diskutiert.

8 Arbeitsaufgabe: Erstellen Sie ein Schaubild über das Suchtentstehungs-Viereck!


Konzeptionen der Prävention und Intervention bezüglich der stoffgebundenen Sucht
Konzeption der Prävention

So vielfältig wie die Ursachen zur Entstehung von Sucht sind, so vielfältig sind die Präventionen im Kindesalter, die Eltern, Pädagogen und sonstige Sozialisanden initiieren können. Diese Präventionen sind die Antworten, oder besser formuliert die positiven Vorwegnahmen, um die Entstehung von Süchten zu verhindern. Dieselben Theorien und Ansätze, die die Entstehung von Drogensucht erklären, liefern meistens gleichzeitig Handlungsmöglichkeiten, um das Entstehen von Süchten zu verhindern. Diese Prinzipien müssen von allen Sozialisanden möglichst verinnerlicht und im pädagogischen Alltag angewendet werden.

Die Bedeutung des Modell -Lernens für die Prävention gegen Drogenmissbrauch
Die wissenschaftlichen Ergebnisse von Albert Banduras Arbeiten bezüglich des Imitationslernens bzw. des Modell-Lernens lassen sich in den pädagogischen Alltag zum Erlernen positiver Verhaltensweisen sowie zum Verändern negativer Handlungen sehr sinnvoll nutzen. Entsprechend verschiedener Modelleffekte kann im Rahmen von Erziehung der Aufbau von positiven Verhaltensweisen bzw. der Abbau von negativen Verhaltensweisen bei Kindern und Jugendlichen mit Hilfe des Vorbildseins erfolgen. Hierzu gibt es verschiedene kombinierte, einzelne Handlungsweisen:

- Die Sozialisanden können sehr reflektiert und zielorientiert als Vorbild dienen.
- Erzieher, Lehrer und Eltern versuchen bewusst, andere positive Modelle bzw. Vorbilder einzusetzen.
- Erzieher bekräftigen und belohnen positive Vorbilder und die Lernenden oder sanktionieren (=bestrafen) sie bei negativen Verhaltensweisen.
- Der Einsatz von symbolischen Modellen kann ebenfalls vom Erzieher ermöglicht werden.

Die Sozialisanden als Modell
Soll ein Edukand Verhalten neu lernen oder sich verändern, so soll das geplante Verhalten von den Erziehern, Eltern usw. selber echt und ehrlich vorgelebt werden. Hierzu muss der Edukand die Gelegenheit besitzen, die Modelle, also die Eltern bei ihren Handlungen zu beobachten und zu erleben. Es wäre eine unüberbrückbare Diskrepanz (=Widerspruch), also eine Widersprüchlichkeit, wenn Eltern Drogenmissbrauch selbstverständlich vorleben, und dies fängt schon bei unangenehmen Alkoholisierungsexzessen bei Familienfeiern an, und sie gleichzeitig von den Kindern stark kontrollierten Alkoholkonsum erwarten bzw. diesen völlig verbieten. Das kontrollierte Umgehen mit Drogen bzw. den legalen Drogen und eine positive Beziehung zwischen Sozialisand und dem Kind steigert die Modellwirkung.

Die positive Beziehung lässt sich unter anderem erreichen, wenn der Sozialisand dem Edukand Empathie (=Einfühlungsvermögen), Akzeptanz (= Wertschätzung) und Kongruenz (Echtheit, Übereinstimmung zwischen Denken, Reden und Handeln) im Sinne von Carl Rogers entgegen bringt. Die Empathie (das Einfühlungsvermögen), die Kongruenz (die Echtheit und Deckungsgleichheit zwischen Handeln und Reden des Erziehers) und die Akzeptanz, also die Wertschätzung des Kindes, sorgen dafür, dass die Bedürfnisse des Kindes ernst genommen werden und Freiräume ermöglichen. Hier gilt der pädagogische Grundsatz:

Soviel Freiraum wie möglich und soviel Grenzen wie nötig.


Die erzieherischen Grenzen, die Sozialisanden setzen, verhindern die oben beschriebene Verwöhnungsfalle, die aus psychoanalytischer Sicht eine ES-Dominanz verursachen kann.
Damit Sozialisanden erfolgreich durch Modellverhalten kindliches Verhalten beeinflussen können, müssen sie ständig sich selbst kritisch reflektieren. Das heißt, sich selbst fragen, ob das eigene vorgelebte Verhalten mit den Erziehungszielen für Kinder und Jugendlichen im Zusammenhang mit Drogen aber auch bezüglich Gewalt und Kriminalität übereinstimmt. Es ist wichtig, dass sich Eltern und andere Erzieher ihrer Vorbildwirkung, die grundsätzlich vorhanden ist, ständig bewusst sind. Rudolf Steiner hat einmal postuliert, dass man „selber nichts tun sollte, wovon man dem Kind sagen müsste, das darfst Du nicht tun…“.

Nachdem Erzieher, Eltern usw. über Jahre hinweg ihren Kindern vorgelebt haben, dass sie vor der großen Autofahrt keinen Alkohol trinken, nachdem Eltern erfolgreich die Sucht des Zigarettenrauchens abgelegt haben, ist die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder genau dieses Verhalten nachahmen, sehr viel größer, als wenn die Jugendlichen irgendwann sagen müssen: „Du bist ja selber nikotinsüchtig, was willst Du mir eigentlich sagen, Papa?“

Beispiel: Eine 41-jährige Mutter beginnt eine Raucherentziehungskur über 5 Wochen hinweg. Die 17-jährige Tochter, die selbst seit 3 Jahren raucht, beobachtet zunächst ungläubig das Versuchen der Mutter. Nach einiger Zeit erlebt sie jedoch, dass die Mutter erfolgreich und nachhaltig die Nikotinsucht überwunden hat. Ein Jahr später versucht die Tochter mit Unterstützung ihrer Mutter ebenfalls von der Nikotinsucht abzukommen.

Im realen Leben ist dies eine Möglichkeit, die durch das Vorbildverhalten der Mutter wahrscheinlicher wird. Eine Garantie zum Imitieren der Mutter gibt es nicht, jedoch wird es wahrscheinlicher, wenn die Beziehung zwischen Mutter und Tochter hervorragend positiv emotional sich darstellt.

Einsatz zusätzlicher Modelle
Sozialisanden können oder wollen aus verschiedenen praktischen Gründen nicht immer die alleinigen Vorbilder zur Erlangung verschiedener Erziehungsziele sein. In solchen Situationen empfiehlt es sich, zu versuchen, positive Modelle auszuwählen. Hierbei können Aspekte wie Ähnlichkeit zwischen Kind und Vorbild genutzt werden oder attraktive, sympathische Modelle, die berühmt sind. Ebenso können diese Faktoren kombiniert werden. Dabei lässt sich auch auf symbolische Modelle aus den Medien zurückgreifen.

Das Heranziehen mehrerer Modelle, die gleiches oder ähnliches nicht drogensüchtiges Verhalten zeigen, gibt besonders Kindern Verhaltenssicherheit. Das Problem ist, dass die so genannten Prominenten oft kein vorbildliches Verhalten im Umgang mit Drogen darstellen. Die Suche nach Modellen kann hier schwierig werden. Sehr wichtig ist hier, dass Eltern sehr früh ihre bald schwindenden Möglichkeiten, den Freundeskreis zu beeinflussen bzw. die Wahl des Freundeskreises zu beeinflussen, nutzen. In den ersten Jahren kann durch die Auswahl des Milieus (Wohnumgebung), des richtigen Kindergartens und der Jugendgruppe Einfluss genommen werden. Dies muss frühzeitig zu einem Zeitpunkt geschehen, wo sich die Kinder bzw. die Jugendlichen nicht gegängelt fühlen, sondern aufgrund eines freundlich lebendigen Vorschlags von Vater die Teilnahme an der katholischen Jugendgruppe interessanter erscheint als das Abhängen Samstag abends auf dem Schulhof der nahe gelegenen riesigen und anonymen Bündelschule.


Die Bekräftigung von Modellen und Lernenden
Der Bekräftigung von Modellen und Beobachtern kommt in der Erziehung große Bedeutung zu. Für das Lernen ist es vorteilhaft, dass ein Modell für sein Verhalten, für sein „Nein, danke, ich rauche nicht!“ Bekräftigung, also Lob, erhält. Will ein Erzieher ein Kind zu einem bestimmten Verhalten wie der Verzicht auf Zigarettenrauchen motivieren, so zeigt ein Modell erste Schritte in Richtung auf das erwünschte Verhalten und wird dafür belohnt, z. B. kann dies das ältere Kind in der Nachbarschaft sein. Traut sich das Kind darauf hin nun ebenfalls, den verschiedenen Angeboten, zu rauchen oder Alkohol zu besorgen, dies abzulehnen, so sollte es auch hierfür eine Anerkennung, nicht unbedingt materieller, aber doch verbaler und emotionaler Art erhalten.

Soll das Verhalten über einen längeren Zeitraum beibehalten werden, wirkt direkte Bekräftigung des Beobachters besser als stellvertretende, da der Lernende die angenehmen Konsequenzen seines Verhaltens selber am eigenen Leib erfährt.

9. Arbeitsaufgabe: Erklären und erörtern Sie - auch durch eigene Überlegungen - die Bedeutung von Vorbildern im Zusammenhang mit der Entstehung von Drogenabhängigkeiten. Gehen Sie dabei auch auf die Frage ein, wie Modelle gegen die Gefahr der Drogenabhängigkeit wirken können.

Erziehung und symbolische Modelle
Ein symbolisches Modell sind Popstars, Comic-Figuren, Fernsehstars und ähnliche Persönlichkeiten. Wenn das Kind in frühester Kindheit und Jugend sich mehr mit Stars beschäftigt, die nicht durch Alkoholexzesse und Haschisch-Konsum in den Medien auffallen, so erhöht sich die Wahrscheinlichkeit ebenfalls eines vernünftigen Umgangs mit legalen Drogen und einer Ablehnung illegaler Drogen. Der vernünftige Umgang meint, dass es nicht zu einer Abhängigkeit, einer Sucht, führen soll, die das Kind bzw. den Jugendlichen zwingt, wider besseren Wissens und trotz körperlicher und gesundheitlicher Probleme darauf zu verzichten.

Aufklärungsmaßnahmen
Eine weitere Präventionsmöglichkeit, um Kinder und Jugendliche vor Drogenkonsum zu schützen, ist die regelmäßige und intensive Aufklärungsarbeit über die Gefahren der Drogensüchte in der Schule, aber auch schon im Kindergarten und sehr wohl im Elternhaus. Regelmäßige Aufklärung und Information über die Verhaltensweisen von Dealern aber auch der Wirkung der Droge sorgt dafür, dass sich Kinder und Jugendliche besser schützen können und im entscheidenden Moment NEIN sagen können.

Daher sollte auch die gesellschaftliche Instanz „Politik“ genügend Geld für das Drucken von Broschüren, Werbefilmen und Jugendzentren zur Verfügung stellen, damit an verschiedenen Orten vor der Gefahr der Drogensucht fundiert und wissenschaftlich gewarnt werden kann.

Interventionsmöglichkeiten gegen stoffgebundene Süchte
Interventionsmöglichkeiten gibt es sehr viele. Zum einen wird im Bereich der Sozialpädagogik auf der Ebene der Beratung versucht, Drogensüchtige niederschwellig, also ohne große Überwindungsnotwendigkeiten, zu einem Gespräch in einer Drogenberatungsstelle einzuladen, um dort auf Therapiemöglichkeiten hinzuweisen. Die weitere Möglichkeit sind eben diese verschiedenen therapeutischen Ansätze.

10 Arbeitsaufgabe:Beschreiben und beurteilen Sie Aufklärungsmaßnahmen zum Thema Drogen an Ihrer jetzigen Schule.
11 Vergleichen Sie die Ausführungen der letzten Seiten zum Thema Modelllernen mit den Ausführungen zu diesem Thema in Ihrem Fachbuch. Stellen Sie die Unterschiede schriftlich dar!


Sozialpädagogisches bzw. therapeutisches Handlungskonzept

In vielen Klausuren werden die Teilnehmer des Faches Erziehungswissenschaft bzw. des Faches Sozial-und Erziehungwissenschaft aufgefordert, ein Handlungskonzept bzw. einen Handlungsplan zu erstellen. Ein solches Handlungskonzept beschreibt wie Sozialarbeter Erzieher und andere Fachleute einem Menschen therapeutisch helfen können. Im Folgenden wird darauf eingegangen, in welche Stufen und Phasen sich ein solches Handlungskonzept normalerweise unterteilt.

Zunächst unterscheiden wir zwischen einem therapeutischen Handlungskonzept und einem sozialpädagogischen. Die Grenzen sind hier fließend, sozialpädagogische Interventionen erstrecken sich viele praktische Probleme, so kann im Rahmen eines sozialpädagogischen Handlungskonzeptes sehr wohl die begleitende Hilfe bezüglich eines Wohnungswechsels erfolgen. Ganz praktisch können Sozialpädagogen im Rahmen ihrer sozialen Arbeit Menschen helfen, eine Wohnung zu finden und den entsprechenden Umzug zu organisieren. Derart praktische Hilfe ist im therapeutischen Konzept nicht zu erwarten. Dort erstreckt sich die Hilfe auf psychische Prozesse im Zusammenhang mit Verhaltensauffälligkeiten wie z. B. dem Problem der stoffabhängigen Sucht. Trotz dieser Unterschiede gibt es Parallelen zwischen dem therapeutischen Handlungskonzept bzw. Plan und dem sozialpädagogischen.

Im Folgenden wird versucht, eine Synthese (=Zusammenfügung) zwischen dem verhaltensorientierten therapeutischen Handlungskonzept und den Phasen des Unterstützungsmanagement (Case-Management). Die Aufforderung, ein Handlungskonzept bzw. einen Handlungsplan zu erstellen, beinhaltet nicht einfach die Sammlung von therapeutischen Handlungsideen. Der Unterschied zwischen einer losen Ideensammlung und einem Handlungsplan besteht darin, dass Koordination, Planung und effektive Zielorientierung deutlich werden.

Unterstützungs- Phasen eines therapeutischen bzw. sozialpädagogischen Handlungskonzepts

1. Finde-Phase .
2. Analyse bzw. Einschätzung der Lage
3. Planung und Ressourcenvermittlung
4. Handlung bzw. Durchführung der Unterstützung
5. Bewertung der bisherigen Arbeit und
6. Beendigung des therapeutischen bzw. sozialpädagogischen Prozesses

(WICHTIG: Sollten Sie in Klausuren aufgefordert werden ein pädagogisches und/ oder therapeutisches Handlungskonzept bzw. einen Handlungsplan zu erstellen, so sollten Sie sich immer an die folgenden sechs Phasen halten)

1. Unterstützungs- bzw. Therapiephase: Die Finde-Phase mit anschließender Analyse

Zunächst müssen Menschen, die an einer Verhaltensauffälligkeit, wie z. B. Sucht, leiden, Kontakt mit professionellen Helfern finden. Dies kann in der sozialen Arbeit durch Streetworker entstehen, die durch eine starke Präsenz im Drogen-Milieu es den Süchtigen leicht machen, mit Helfern ins Gespräch zu kommen. Dies kann aber auch dadurch passieren, dass Verwandte mit Süchtigen zu einer Drogenberatungsstelle kommen und dort erstmals Kontakt aufnehmen. Hier werden verschiedene Fragen geklärt:

- Ist professionelle Hilfe wirklich notwendig?
- Welche Art von Hilfe und Unterstützung ist notwendig und würde von dem Hilfesuchenden auch akzeptiert werden?
- Welche Art der Hilfe ist notwendig? Nicht immer ist eine Therapie möglich, sondern eine kurze Gesprächsreihe schon ausreichend.


2. Einschätzung der Lage – Analyse

Da menschliche Verhaltensweisen auch durch die Gesamtlebenslage und räumliche Umgebung beeinflusst werden, ist es wichtig, zu analysieren, welche Unterstützung zur Lebensgeschichte und den Lebensverhältnissen des Abhängigen passen. Je sorgfältiger die Lebenslage analysiert wird, desto konkreter können objektive und subjektive Sachverhalte berücksichtigt werden. Dazu gehören familiäre Konstellationen, Beschäftigungsverhältnisse und dergleichen.
Die professionellen Helfer, dies können ausgebildete Sozialarbeiter sein oder auch Therapeuten, erforschen mit dem Hilfesuchenden gemeinsam, welche Realitäten in dem Leben des Klienten zur Sucht führen. Dazu gehören die soziale Position, Einkommen, Arbeitslosigkeit, Alter, Fach- und Sachkompetenzen, das soziale Beziehungsnetzwerk, gesundheitliche Probleme usw.

Bei einem verhaltensorientierteren Ansatz ist in der Phase der Analyse die Fragestellung auf drei Ebenen unterteilt:

Verhaltensebene

Der Therapeut bzw. die Therapeutin dokumentiert typische Verhaltensmerkmale des Klienten. Häufigkeit und Intensität des problematischen Verhaltens werden notiert. So wird beispielsweise detailliert angegeben, wie häufig der Alkoholabhängige Alkohol zu sich nimmt und unter welchen Umständen und Rahmenbedingungen dies geschieht.

Kognitive Ebene

Bei der kognitiven, also gedanklichen, Ebene geht es darum, was der Abhängige und vor allem wie er zu den problematischen Verhaltensweisen gedanklich eingestellt ist. Wie erlebt er selber seine Rauschzustände und die Zeit danach? Wie bewertet er den Ist-Zustand?

Physiologische Ebene

Hier wird analytisch dargestellt, wie der Klient körperlich auf seine Situation im Einzelnen und im Allgemeinen reagiert. Unter anderem kann hier auch deutlich werden, dass neben der psychologisch-therapeutischen Behandlung auch eine medizinisch-ärztliche Behandlung notwendig wird. Ebenso kann dargestellt werden, dass der Klient in Situationen, die angstbesetzt sind, mit Stottern, Zittern, erhöhtem Pulsschlag, nervöser Körpersprache und dergleichen reagiert, und dies durch Drogenkonsum versucht zu kompensieren.

In der therapeutischen Analysephase geht es darum, herauszufinden, welche der möglichen Ursachen, die im ersten Teil dieser Lektion erörtert wurden, im Einzelfall zutreffen bzw. welche Kombination der einzelnen Ursachen. Dabei wird im Idealfall möglicherweise von einem Therapeutenteam nicht davon ausgegangen, dass sich das Suchtverhalten des Klienten allein behavioral oder alleine durch psychoanalytische Erklärungsmuster begründen lässt, sondern das Therapeutenteam ist offen für möglichst viele psychologische Ansätze, um den tatsächlichen, kausalen Zusammenhängen möglichst nahe zu kommen. Daher werden beispielsweise Fragen wie die folgenden in der Analyse geklärt:

Analysefragen:
- Welche klassischen und/oder operanten Konditionierungen haben für das Suchtverhalten gesorgt. bzw. erhalten es?
- Welche Verarbeitungsprobleme haben für Abwehrmechanismen im Sinne von Kompensation gesorgt?
- Welche schlechten Vorbilder (Modelle) haben für das Suchtverhalten des Klienten gesorgt?
- Welche Situationen und räumlichen Gegebenheiten im Lebensumfeld sorgen für die Abhängigkeit des Klienten?

In der Vergangenheit und teilweise auch noch in der Gegenwart wurden die Fragen und Analysetechniken jeweils auf eine psychologische Schule beschränkt. Die Tiefenpsychologen bzw. Psychoanalytiker haben fast ausschließlich nach Problemen in der Kindheit gefahndet, die Verhaltenstherapeuten nach Konditionierungen.
Heutzutage rücken diese unterschiedlichen psychologischen Schulen immer mehr zusammen, so dass ein kombinierter Behandlungsansatz aus den oben beschriebenen Strategien und Erklärungsmöglichkeiten möglich und realistisch wird.

Aus der Beantwortung der oben dargestellten Analysefragen lassen sich gewünschte und erstrebenswerte Verhaltensveränderungen festlegen und formulieren. Diese können in einer Veränderung der Wohnumgebung und Arbeitsplatzgestaltung liegen, meistens - und das ist eher dann der therapeutische Ansatz – geht es um die Aufarbeitung kindlicher Traumata und auch dadurch, um den Erwerb von neuen bzw. veränderten Verhaltensweisen. Die Informationsgewinnung in der Analysephase geschieht in erster Linie durch das Gespräch mit dem Klienten, darüber hinaus können aber auch Bezugspersonen wie Eltern, Lehrer und dergleichen befragt werden. Ganz oft ist es so, dass die Klienten in einer Therapie aufgefordert werden, sehr ausführlich einen detailliert formulierten Lebenslauf zu erstellen. Diese Analyse oder auch Anamne sephase ist der Grundstock, also die Basis, für das darauf folgende sozialpädagogische oder therapeutische Handeln.


3. Unterstützungs- bzw. Therapiephase: Planung und Ressourcenvermittlung

Die Informationen aus der Analysephase müssen nun von dem professionellen Helfer ausgewertet und interpretiert werden. Daraus ergibt sich die Formulierung eines Planes, die sich entweder im therapeutischen Bereich auf Verhaltensänderungen und innerpsychische Prozesse bezieht oder im allgemeinen sozialpädagogischen Sinne auf die offenere Unterstützung des Betroffenen durch das Umfeld und das bewusste Aktivieren der Ressourcen aus derselben.
Zu den Ressourcen aus der Umwelt und des Klienten gehören vorhandene Fähigkeiten, Stärken, Freunde, Nachbarn, Partner/innen und nahe gelegene Behörden, Kulturzentren und dergleichen. Während im allgemeinen sozialpädagogischen Ansatz hier womöglich erst die Entscheidung getroffen wird, eine Therapiemöglichkeit zu suchen und zu beginnen, ist die Planungs- und Ressourcenvermittlungsphase innerhalb einer Therapie fokussiert auf das Erlernen neuer wünschenswerter Verhaltensweisen. Ausgehend von den Ursachen und deren typischen Charakteristik wird bei der Erstellung der therapeutischen Planung der jeweils passende Ansatz ausgewählt.

Beispiel: Ein Mensch, der aufgrund eines Autounfalls auf einer Autobahn eine Phobie (=zwanghafte Angst= vor LKWs und Brücken hat, bedarf nicht die psychoanalytische Kindheitsbearbeitung. Hier gilt, dass ein verhaltensorientierter Ansatz versucht, die Konditionierung entweder im Rahmen einer Extinktion zu löschen oder durch eine neue klassische bzw. operante Konditionierung es dem Klienten zu ermöglichen, auch weiterhin auf der Autobahn LKWs zu überholen ohne Angst vor dem damaligen Unfall zu haben.

12 Arbeitsaufgabe: Nennen und erklären Sie die ersten drei Phasen eines sozialpädagogischen Handlungskonzepts

4. Unterstützungs- bzw. Therapiephase: Handlung und Durchführung der Unterstützung

Vor Beginn der Unterstützungsphase wird eine verpflichtende, möglicherweise sogar schriftliche Vereinbarung erstellt, die festlegt, welche Art, wie intensiv und wie lange die Unterstützungsphase dauern soll. Bei der Durchführung der Unterstützungsphase hat der professionelle Helfer eine unterstützende, teilweise auch eine steuernde und kontrollierende Funktion. Hier soll geholfen werden, besonders bei lustgesteuerten Klienten, die an einer ES-Dominanz leiden, vorher abgesprochene Ziele aus der Planungsphase nun tatsächlich zu erreichen. Der professionelle Helfer leitet den Unterstützungsprozess unter Berücksichtigung entsprechender Zwischenergebnisse und ggfs. Anpassung der Hilfsstrategien an veränderte Umweltbedingungen, um so schließlich das Ziel zu erreichen, dass in der Planungsphase Klient und professioneller Helfer gemeinsam besprochen haben.

Im Folgenden werden verschiedene Ansätze dargestellt, die je nach Problematik in der Handlungsphase relevant werden.

2.1. Die klassische Konditionierung in der vierten Handlungsphase in der Therapie von Süchtigen

Im Folgenden werden die Möglichkeiten der klassischen Konditionierung in ihrer unterschiedlichen Erscheinungsform im Rahmen einer Therapie erörtert. Dabei wird unterschieden

a) Aufbau von emotionalen Reaktionen und Verhaltensweisen
b) Abbau von emotional bedingten Reaktionen und Verhaltensweisen

Zu a) gehört die Kopplung des Reizes, der die gewünschten Reaktionen bzw. Verhaltensweisen hervorrufen soll, mit einem Reiz, der diese Reaktion bereits hervorruft. Des Weiteren ist hier die mehrmalige Wiederholung der Kopplung von unbedingtem und neutralem Reiz die Grundlage für die später dargestellten Konditionierungstechniken. Dabei ist darauf zu achten, dass ein zeitliches und räumliches Miteinander auftreten der beiden Reize notwendig ist.

Beim Abbau von emotionalen Reaktionen wird die Gegenkonditionierung, das systematische Desensibilisieren, die Reizüberflutung und die Aversionstherapie eingesetzt. Gehen wir einmal davon aus, dass ein oben genanntes Schlüsselsignal oder ein Schlüsselreiz wie ein Bierglas zu suchtartigen Verhaltensweisen führen kann. Eine derartige Konditionierung kann wie folgt entstanden sein:
Bierglas führt zu keiner spezifischen Reaktion.
NS  keine spezifische Reaktion.

Alkohol führt zu Rauschzuständen.
UCS  UCR

Bierglas + Alkohol führt zu Rauschzuständen.
NS + UCS  UCR

Nach mehrmaliger Wiederholung der Kopplung NS + UCS, also das mehrmalige Trinken von Alkohol bzw. Bier aus dem Bierglas führt zu

Bierglas führt zu suchtartigem Verlangen nach Alkohol.
CS  CR


Ursprünglich war also das Bierglas ein neutraler Reiz (NS) und er führte zu keiner besonderen spezifischen oder bedingten Reaktion.

Der Genuss von Alkohol, besonders in hohem Maße führte zu Rauschzuständen. Das heißt, dass Alkohol als unkonditionierter Stimulus (UCS) ein Reiz ist, der ohne vorangegangenes Lernen eine Reaktion, nämlich den Rauschzustand, auslöst. Dieser Rauschzustand wird als positiv erlebt. Die Kopplung Alkohol + Bierglas ist eine Kopplung des neutralen Reizes (NS), also eines Reizes, der zu keiner bestimmten Reaktion führt, mit dem unkonditionierten Reiz, der eine angeborene Reaktion auslöst. Kopplung Alkohol + Bierglas führt ebenfalls zu dem Alkohol-Rauschzustand, zumindest bei wiederholten Kopplungen. Die Konditionierung wird nun deutlich, indem der bedingte Reiz Conditioned Stimulus (CS), also das Bierglas als ursprünglich neutraler Reiz nun durch die mehrmalige Kopplung mit dem UCS = Alkohol eine gelernte bzw. eine bedingte Reaktion hervorruft. Hier ist es der Rauschzustand. Diese bedingte Reaktion (Conditioned Response = CR) ist eine erlernte Reaktion, die durch das Bierglas (CS) ausgelöst wird.

In der Behandlung von alkoholabhängigen Menschen ist es tatsächlich so, dass die Umgebung durchforstet wird nach konditionierenden Reizen (CS), die immer wieder das Verlangen, also die emotionale Reaktion, das Sich-Sehnen nach Rauschzuständen verursachen.

Die sucht-auslösenden Reize werden aus der Umgebung verbannt und dadurch wird die Wahrscheinlichkeit verringert, dass aufgrund einzelner Signalreize ein „Rückfall“ in suchtartiges Verhalten geschieht.

Gegenkonditionierung

Des Weiteren wird die Gegenkonditionierung angewendet, um die Reiz-Reaktions-Kette, wie oben beschrieben, im Sinne von erwünschten Verhaltensweisen therapeutisch nutzen zu können.
Definition: Ziel der Gegenkonditionierung ist es, eine nicht erwünschte Reiz-Reaktions-Kette durch eine bessere therapeutisch erwünschte Reiz-Reaktions-Verbindung zu ersetzen. Dies geschieht durch eine erneute Konditionierung, ein bedingter Reiz (CS), eine andere, der unerwünschten bedingten Reaktion (CR) entgegen gesetzte Wirkung erzielt.

Nicht erwünschte emotionale Reaktionen wie beispielsweise Sucht- oder Rauschverlangen können abgebaut werden, indem mehrmals der Reiz, der diese negativen emotionalen Reaktionen zur Folge hat, mit einem Reiz koppelt, dessen, Reaktion mit diesen Emotionen unvereinbar ist: Personen, Objekte oder Situationen, die für den zu Erziehenden suchtstabilisierend wirken, werden mit positiven und nicht-suchtanheizenden Reizen verbunden. So werden diese Schlüsselreize, Musik, Biergläser, Räumlichkeiten, usw., die bislang die Sucht angeheizt haben, entweder eliminiert und dem Klienten nicht mehr dargeboten, so entsteht eine Löschung des Verhaltens (= Extinktion) oder diese Reize werden mit anderen Reizen wie Naturerlebnisse, Sport, Spaß, gute Gespräche usw. verknüpft. Somit kann eine Musik, die früher zum Suchtverlangen geführt hat, nun, da sie mit anderen Situationen gekoppelt wurde, in Zukunft nicht mehr zum Drogenverlangen führen. Im Zusammenhang mit der Suchtproblematik sei im Folgenden auf die besondere Bedeutung der Aversionstherapie hingewiesen.

Aversionstherapie
Definition: Bei der Aversionstherapie wird die Kopplung eines unangenehm wirkenden Reizes mit einem anderen Reiz, nach dem Schema des klassischen Konditionierens vorgenommen.

Beispiel: Einem alkoholabhängigen Menschen wird ein Übelkeit verursachendes Mittel in seinen Alkohol hinein gegeben. Nach mehreren Einnahmen dieses „Mix-Getränkes“ entsteht starke Übelkeit, die nach dem Prinzip der klassischen Konditionierung nun schon bei dem Geschmack, Geruch oder Anblick des Alkohols entsteht.

ACHTUNG:

Die Aversionstherapie ist ethisch umstritten. Sie darf in Deutschland nur dann geschehen und durchgeführt werden, wenn der abhängige Mensch sein eindeutiges und unmissverständliches Einverständnis hierzu gegeben hat. In dem anglo-amerikanischen Kulturraum ist die Aversionstherapie häufiger anzufinden als im deutschen Bereich. Sie wird oftmals von Abhängigen akzeptiert, wo eine Verhaltensveränderung sehr schnell geschehen muss, zum Beispiel aus gesundheitlichen Gründen.

Schema der Aversionstherapie

CS 1  CR 1
(Geschmack des Alkohols) (Suchtbefriedigung)

UCS  UCR
(Mittel, das Übelkeit verursacht) (Übelkeit)

CS 1 + UCS  CR 1
(Geschmack des Alkohols) + (Übelkeit verursachendes Mittel)  Übelkeit

Nach mehreren Wiederholungen dieser Reizkoppelung:

CS 2  CR 2
(Geschmack des Alkohols) (Übelkeit)


Die Aversionstherapie hat leider den Nachteil, dass sie bei vielen Abhängigen nicht wirkt. Solange die übelkeitserregenden Medikamente Wirkung zeigen, trinken beispielsweise viele Alkoholiker nicht mehr. Sobald jedoch die Medikamente ihre Wirkung verloren haben, fängt oftmals der Alkoholmissbrauch von neuem an.

Die operante Konditionierung als therapeutische Intervention

Zu den weiteren verhaltenstherapeutischen Techniken gehört der Ansatz der operanten Konditionierung.
Nicht alle Probleme können mit klassischen Konditionierungen behoben werden. Bei der operanten Konditionierung erfolgt eine Verstärkung als Konsequenz auf eine bestimmte Verhaltensweise.

Operant bedeutet an bzw. in seiner Umwelt zu operieren.
Operante Konditionierung ist Lernen durch Verstärkung. Das ist der Prozess, in dessen Verlauf Verhaltensweisen vermehrt gezeigt werden durch die der menschliche Organismus angenehme Konsequenzen herbeiführen oder aufrecht erhalten bzw. unangenehme Situationen beseitigen, verringern oder vermeiden kann.

Definition: Verstärkung meint den Prozess, der dazu führt, dass ein vorher zufällig gezeigtes Verhalten nun häufiger auftritt. Dabei muss man positive und negative Verstärkungen unterscheiden.

Definition: Die positive Verstärkung ist der Prozess, der dazu führt, dass ein Verhalten häufiger gezeigt wird, weil durch dieses angenehme Konsequenzen herbei geführt oder aufrecht erhalten werden können. Dies können Belohnungen sein.

Definition: Negative Verstärkung ist der Prozess, der dazu führt, dass ein Verhalten häufiger gezeigt wird, weil durch dieses unangenehme Konsequenzen verringert, vermieden oder beendet werden.

Auf die Suchttherapie bezogen, leitet man aus diesen Prinzipien verschiedene therapeutische Techniken ab.
Beispiel: So gibt es das System der Token Economy (Münz-Verstärkungs-System). Mit dieser Technik geht es darum, dass durch Belohnung in Form von Münzen, Punkten oder Noten erwünschtes Verhalten verstärkt wird, also dem Klienten ein Erfolgserlebnis vermittelt wird, das dafür sorgt, dass er das erwünschte Verhalten in Zukunft häufiger zeigt.
Auf diese Weise kann schrittweise die Methode der Verhaltensformung (Shaping) eingesetzt werden. So kann das alkoholfreie Verhalten der Verzicht auf den Konsum von Drogen durch Belohnung in Form von Münzen, die dann zu einem späteren Zeitpunkt gegen eine größere Belohnung eingetauscht werden, sehr wohl eingesetzt werden. In einer geschlossenen Therapie können die Belohnungen sozusagen erkaufte Privilegien innerhalb der Suchtabteilung eines Krankenhauses sein. Diese verhaltenstherapeutische Technik fördert einen schrittweisen Aufbau des gewünschten Sucht verzichtenden Verhaltens.

Primäre Bekräftigung
Von dem Patienten wird schrittweise mehr der Verzicht auf Drogenkonsum verlangt, wenn er in den Genuss einer primären Bekräftigung kommen will. Das bedeutet, dass er nach einiger Zeit mehr Token für dasselbe Vorrecht braucht. Das Pflegepersonal, das die Token austeilt, muss hierzu gut angeleitet werden. Es muss genau wissen, welches Verhalten bekräftigt werden soll und welches nicht. Es muss auch sehr konsequent beim Belohnen des gewünschten Verhaltens sein. Anderenfalls wird der gewünschte Effekt nicht erreicht. Da primäre Bekräftigungen, die für die Token eingetauscht werden, nicht für alle Menschen den gleichen Wert haben, müssen sie auf die jeweilige Person speziell bezogen werden. Wichtig sind der Einsatz von Kombinationen der verschiedenen Lerntechniken, Konditionierung, Modell-Lernen, Assertiveness Training, usw.

13 Arbeitsaufgabe: Definieren Sie die Begriffe: Aversiontherapie, positive verstärkung, negative verstärkung, Tokensystem, Shaping. Formulieren Sie anschließend zu jedem dieser begriffe ein kurzes Beispiel bezogen auf die Therapie gegen Drogenabhängigkeit.

Selbstsicherheitstraining
Assertiv bedeutet selbstbewusst, selbstsicher. Vielen Menschen mangelt es an Selbstsicherheit. Sie sind ängstlich, in sozialen Situationen angespannt und trauen sich nicht, ihre eigene Sicht der Dinge darzustellen. Hieraus entsteht durchaus der Versuch, in dem Konsum von Drogen die eigene Unsicherheit zu kompensieren. Selbstsicherheitstraining ist eine Technik, die darauf gerichtet ist, das Selbstwertgefühl, das Ich, zu stärken. Dabei werden unterschiedliche Methoden in Kombination eingesetzt. Sie alle beruhen auf verschiedene Lerntheorien. Hierzu gehört die Gegenkonditionierung, das Modell-Lernen und die Verstärkung von positiven Gedanken.
Der Klient wird vom Therapeuten in soziale Situationen hinein gebracht, die ihm bislang Angst gemacht haben oder die ein Anreiz zum Suchtverhalten gegeben haben. Dies geschieht in vorsichtigen, langsamen Schritten. Der Klient lernt, sich in diesen Situationen selbstsicher zu verhalten.
Schrittweise wird die Intensität der belastenden Situationen verstärkt. Meistens wird diese Technik zunächst in einem Rollenspiel vorher in den geschützten Praxisräumen geübt. Hat der Klient keinerlei Handlungsrepertoire mit den Herausforderungen umzugehen, so wird der Therapeut im Sinne des Modell-Lernens adäquates Verhalten vorspielen. Danach wird dieses vorgespielte Verhalten diskutiert, besprochen und eventuell auf die besonderen Bedürfnisse und Empfindungen des Klienten angepasst. Danach reproduziert der Klient das beobachtete Verhalten beim Therapeuten, indem er es im geschützten Rollenspiel nachspielt.

Wenn der Klient auf diese Art seine Angst zu beherrschen gelernt hat, wird er aufgefordert, das Gelernte in realen Situationen anzuwenden. Der nächste Schritt ist, dass Therapeut und Klient in die reale Welt gehen, um dort in gewissen Situationen das Gelernte durch den Klienten leben zu lassen.

Es wird vorher zusammen mit dem Therapeuten überlegt, welcher Moment dafür am besten geeignet ist, welche Formulierungen benutzt werden sollen usw. Lob und Anerkennung für das Verhalten des Klienten im Rollenspiel aber auch später „draußen“ können hierbei im Sinne der operanten Konditionierung als Verstärker wirken. Das Rollenspiel ist geeignet für Menschen, die im sozialen Kontakt gehemmt oder ungeübt sind. Für sie ist es meistens zu schwierig und zu Angst erregend, selbstsicheres Verhalten alleine in die Praxis umzusetzen. Schon im Rollenspiel kann dieses manchmal schwierig genug sein. Aber das Wissen, dass die Situation nicht echt ist und dass das gezeigte Verhalten keine Konsequenzen in der Wirklichkeit hat, kann soviel Sicherheit geben, dass man sich traut, eigene Unsicherheiten zu überwinden.
Wichtig hierzu ist, dass eine gute Therapeuten-Klientenbeziehung in den vorherigen Phasen der Therapie entstanden ist. Wenn jemand gelernt hat, sich in einer Rollenspielsituation sicher zu verhalten, wirkt das als Verstärkung. Derartige oftmals anstrengende Therapiearbeit wird vom Verhaltenstherapeuten oftmals kombiniert mit Entspannungsübungen während der Therapiesitzungen. Hier wird durch verschiedene Arten von meditativem Training wie z. B. das Yoga ein ganzheitlicher Ansatz versucht.

14 Arbeitsaufgabe: Erörtern Sie wie Selbstsicherheit in der Erziehung vermittelt werden kann.

Psychoanalytische Therapietechniken in der Handlungsphase

Sollte die Analysephase ergeben haben, dass sich ganz bestimmte Verhaltensweisen aufgrund der Jugenderlebnisse erklären lassen, so werden durchaus psychoanalytische Techniken eingesetzt. Teilweise werden diese analytischen Techniken bereits in der Phase der Analyse eingesetzt, um spezielle Ursachen für Drogensucht deutlich zu machen. Der analytische Therapeut überprüft sehr genau, in wie fern Abwehrmechanismen wie Verdrängung, Projektion, Rationalisierung und dergleichen Ursache für Suchtverhalten sein können. Die Psychoanalyse fragt sehr stark, was steht hinter dem vordergründigen, oftmals maskenhaften Verhalten der Klienten. Hierzu werden die Techniken des „freien Assoziierens“, "Deutens" und der "Traumdeutung" angewendet. Bei der freien Assoziation muss der Analysand (= Klient in der Psychoanalyse) Gedanken in Worte fassen, über die er normalerweise nie sprechen würde. Manche Inhalte werden oft für zu unwichtig, zu unbedeutend gehalten, um darüber zu reden. Außerdem gibt es auch immer Widerstände, bestimmte Gedanken oder Gefühle überhaupt zu äußern. Bei dem freien Assoziieren soll alles ausgesprochen werden. Die freie und unmittelbare Äußerung aller einfallenden Gedanken ist die Grundlage jeder psychoanalytischen Behandlung und auch als Grundregel für den Analysanden angesehen. Der Psychoanalytiker reagiert so neutral wie möglich, wertet nicht und verurteilt keine Phantasie des Analysanden. Es ist wichtig, dass der Klient erlebt, dass er alles sagen kann und darf ohne beurteilt zu werden.





Deuten
Eine weitere Technik in der Psychoanalyse ist das "Deuten". Es geht um das Bewusstmachen und Verstehen der Verhaltensweisen. Es werden die Gedanken des freien Assoziierens und auch Verhaltensweisen in der therapeutischen Sitzung interpretiert und versucht, zu erklären.

Beispiel:
Klient: „In der Schule wollte ich immer der Beste sein!“
Therapeut: „Vielleicht wollten Sie dadurch die Anerkennung Ihrer Eltern erhalten.“

Die Grundstrategie der Psychoanalyse besteht also darin, durch verschiedene Techniken Verhaltensweisen erklärbar zu machen und Realitäten aus dem Unbewussten oder Unterbewussten des Menschen ins Bewusste hervor zu holen. Heilung wird erwartet durch das Bewusstmachen eigener psychischer Prozesse. So wird davon ausgegangen, dass ab dem Moment, indem Sachverhalte bewusst sind, die Fähigkeit vorhanden ist, gegenzusteuern und sein Verhalten reflektiert zu ändern.

Der klientenorientierte Ansatz nach Carl Rogers in der therapeutischen Handlungsphase

Im Unterschied zum psychoanalytischen Ansatz, bei dem vom Therapeuten aus gelenkt und gedeutet wird, wird beim klientenorientierten Ansatz die Selbstexploration durch den Klienten durchgeführt.
Die Selbstexploration ist die fortschreitende Selbstwahrnehmung eigener Möglichkeiten und Verhaltensweisen. Durch einen non-direktiven Gesprächsansatz versucht der Gesprächstherapeut, den Klienten dahin gehen zu lassen, dass er selbständig Probleme und Lösungsmöglichkeiten im Gespräch erkennt.
Die wesentlichen Interventionstechniken des Therapeuten sind die oben schon dargestellten Therapeutenvariablen Empathie (Einfühlungsvermögen), Kongruenz (Echtheit) und die Akzeptanz (Wertschätzung). Es handelt sich hierbei um echte, emotionale und kognitive Äußerungen des Therapeuten bezüglich der Fähigkeiten des Klienten und dessen innerer psychischer Welt.
Bei der Empathie versucht der Berater, sich in die Erlebniswelt des Klienten einzufühlen und diese nachzuvollziehen. Dies gilt besonders für Gefühle und deren Bewertung durch den Klienten. So versucht der Berater bzw. Therapeut, den Schmerz des Klienten so zu fühlen, wie dieser ihn fühlt und die Ursachen für diesen Schmerz so wahrzunehmen wie dieser sie wahrnimmt. Bei der Wertschätzung, der Akzeptanz, geht es darum, dass der Berater bzw. Therapeut dem Klienten emotionale Wärme und Zuneigung entgegen bringt. Dadurch öffnet sich der Klient vertrauensvoll und ist offen, selber Verhaltensveränderungen zu diskutieren. Wichtig ist, dass das gesamte Verhalten des Therapeuten kongruent ist. Das heißt also, dass eine Echtheit, eine Deckungsgleichheit zwischen den Gedanken und den Handlungen des THERAPEUTEN vorhanden ist..

15 Arbeitsaufgabe: Erstellen Sie mehrere Schaubilder mit Kästen, Pfeilen usw. um alle Fachbegriffe der zweiten Phase eines Handlungskonzepts zu visualisieren.

4. Unterstützungs- bzw. Therapiephase: Bewertung

Nachdem die unterschiedlichen therapeutischen Techniken in Abhängigkeit der jeweiligen Erkenntnisse aus der Analysephase durchgeführt wurden, wird nach einem gewissen Zeitpunkt der Veränderungsprozess des Klienten und das Ergebnis sozialpädagogischer bzw. therapeutischer Bemühungen sorgfältig kontrolliert und mit den Zielen abgeglichen.
Beide, Therapeut und Klient, vergleichen und bewerten den Ist-Zustand der inneren psychischen Realität mit dem Soll-Zustand, also der anzustrebenden Lebenslage bzw. den Therapiezielen, wie sie in der Planungsphase miteinander verabredet wurden. In der therapeutischen Praxis werden hierzu Fragebögen, Interviews und auch die Selbsteinschätzung des Klienten verwendet. Gegebenenfalls kann diese Bewertung bewirken, dass die Strategien in der Handlungsphase verändert werden und neue, veränderte Techniken eingesetzt werden. So ist es wichtig, dass in einem längeren Therapieverlauf Bewertungsphase und Handlungsphase sich abwechselnd einander bedingen.
Wird im Rahmen der Bewertungsphase eine größtmögliche Kongruenz, also eine Deckungsgleichheit, zwischen Ist-Zustand und Soll-Zustand festgestellt, so wird die Therapie in die Abschluss- bzw. Beendigungsphase übergeleitet.

6. Unterstützungs- bzw. Therapiephase: Beendigung

Die Beendigung der Therapeut-Klientenbeziehung ist sukzessive, also Schritt für Schritt einzuleiten. Das Hauptziel der Therapie „Hilfe zur Selbsthilfe“ impliziert, dass die Therapie irgendwann enden muss und der Klient selbst verantwortlich sein weiteres Leben suchtfrei
gestalten kann. Denkbar ist, dass eine Art Nachsorge, z. B. über eine Selbsthilfegruppe, in der der Therapeut unterstützend tätig ist, geschieht.

Organisationsform der Interventionen bzw. Suchtbehandlungen

Es gibt verschiedene Hilfen für Suchtkranke, in denen die oben dargestellten Therapieformen und Therapieelemente eingebaut sind. Bei der Erstellung eines jeden Handlungskonzeptes sollte sich an die oben dargestellten sechs Phasen gehalten werden. Darüber hinaus sind aber weitere Aspekte wichtig. Es gibt verschiedene Hilfen für Suchtkranke. Eine große Rolle dabei spielen die Selbsthilfegruppen, an die sich Angehörige wenden können. Oft ist es ein Arzt oder eine Suchtberatungsstelle, die Hilfen anbieten. Falls sich bereits körperliche Symptome und Entzugserscheinungen zeigen, muss der Abhängige ins Krankenhaus zur Entgiftung. Hier werden oftmals Medikamente verabreicht, die ihm die Entzugserscheinungen lindern.
Die anschließende Entwöhnungsphase und die bereits beschriebene psychotherapeutische Behandlung, hat das Ziel, dem Abhängigen ein befriedigendes Leben ohne Suchtmittel zu ermöglichen. Dabei müssen die Suchtkranken ausreichend motiviert werden um eine Entwöhnung durchzuführen. Sie müssen es jedoch selber wollen. Es wird dabei entschieden, ob eine ambulante Drogentherapie oder eine stationäre Langzeittherapie im Einzelfall angeraten ist. Oftmals sind sehr spezielle persönliche Lebensumstände die entscheidenden Faktoren, ob eine Therapie stationär, also viele Kilometer vom Wohnort entfernt, oder ambulant parallel im normalen Alltagsleben eingebaut wird. Oft ist es so, dass nach einer stationären Therapie, wie sie beschrieben wurde, eine ambulante Psychotherapie angeknüpft wird. Im Rahmen der Langzeittherapie werden therapeutische Sitzungen, die die oben beschriebenen therapeutischen Techniken beinhalten, ergänzt durch das Zusammenleben und praktische Handeln im Rahmen von Arbeitstherapien, Kunsttherapien und dergleichen.


Aufgaben zur Selbstüberprüfung und zum Vortragen in der Plenumsphase

16 Skizzieren Sie kurz mindestens vier verschiedene therapeutische Ansätze zur Behandlung von Suchtkrankheiten.
17 Nennen und erklären Sie therapeutische Interventionstechniken.
18 Erklären Sie, welche Interventionstechniken präventiver Art es bezüglich des Suchtverhaltens im Rahmen von Erziehung gibt.
19 Stellen Sie die sechs Phasen eines therapeutischen Handlungskonzeptes zeichnerisch in Form eines Schaubildes dar. Fassen Sie sie kurz, mit eigenen Worten, zusammen.
20 Erklären Sie, wovon es abhängt, welche therapeutische Intervention bzw. welcher therapeutische Ansatz in einer Therapie gewählt werden sollte.
21 Beschreiben Sie ausführlich Auswirkungen von stoffgebundenen Süchten, sofern sie nicht therapeutisch behandelt werden. Gehen Sie dabei nicht nur auf körperliche, sondern auch auf psycho-soziale Realitäten ein.
22 Erörtern Sie die These: „Cannabis und ähnliche Drogen sollen legalisiert werden, so wie es beim Alkohol auch der Fall ist.“
23 Stellen Sie an einem Beispiel den Zusammenhang zwischen Therapeut-Klient-Beziehung und dem Therapieerfolg dar.
24 Suchen Sie weitergehende Aspekte aus dieser Ausarbeitung heraus, recherchieren Sie Ergänzungen und tragen Sie diese im Plenum vor.
25 Erläutern Sie den Begriff Sozialisation ausführlich und beschreiben Sie den Zusammenhang zwischen Sozialisation und dem Entstehen von stoffgebundenen Süchten.
26 Erörtern Sie, welche Aufgaben die Gesellschaft mit all ihren Institutionen hat, um Jugendliche vor stoffgebundenen Süchten zu schützen bzw. diese darauf vorzubereiten, mit den Verführungen, die es in diesem Bereich gibt, umgehen zu können.
27 Erstellen Sie jeweils eine Mind-Map für die folgenden Aspekte:
a Erklärungsmodelle der Suchtentstehung
b Therapeutische Ansätze zur Suchtbehandlung
c Prävention im gesellschaftlichen und erzieherischen Bereich vor Suchtgefahren


(Ende)

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Fußnoten:

Aktueller Bezug: Drogenbericht 2007
Suchtbericht 2006: Immer weniger Drogentote, aber...
4. Mai 2007
http://nachrichten.aol.de/Politik/Rauschgifttote-aber-1243324819-0.html
Suchtbericht der Bundesregierung

Behaviorismus=[englisch behaviour, “Verhalten“]=englisch Behaviorism, nach der Arbeit „Behavior“ von J. B. Watson (1914) in Umlauf gekommene Bezeichnung für eine Richtung der Verhaltenspsychologie. Der Behaviorismus beschreibt das Verhalten als motorische Reaktionen, die eine Funktion aktueller Reizwirkungen und früherer Erfahrungen sind. Das Verhalten übernimmt so die Aufgabe einer optimalen Anpassung des Individuums an die Umwelt und ist unabhängig von dem Einfluss subjektiver, psychischer Faktoren. Die Lebensweise des Individuums wird durch das „Milieu“ bestimmt. Der Behaviorismus stützt sich vor allem auf Tierversuche in Problemkäfigen und Labyrinthen. Führender Vertreter des Behaviorismus war C. L. Hull, der, ausgehend von Rattenversuchen, eine umfassende Lerntheorie als mathematisches System aufstellte. Der Behaviorismus hat besonders in Amerika viele Anhänger (u. a. Tolman, Skinner © Wissen Media Verlag
Vgl. Revenstorf 1987 in Künzel-Böhmer/Bühringer/Janik-Konecny: Expertise zur Primärprävention des Substanzmißbrauchs, Band 20 der Schriftenreihe des Bundesministeriums für Gesundheit, Baden-Baden 1993
Kausalität = [lateinisch, „Ursächlichkeit“]
der angenommene gesetzmäßige Zusammenhang zwischen zwei aufeinander folgenden Ereignissen, von denen das eine (frühere) die Ursache und das andere (spätere) die Wirkung genannt wird. Nach dem Kausalitätsprinzip kann es keine Wirkung ohne Ursache geben.
So|zi|a|li|sa|ti|on [f. -; nur Sg.] das Hineinwachsen, Sicheinordnen in die menschliche Gemeinschaft
monokausal = aufgrund einer Ursache entstehend
multikausal = aufgrund mehrerer Ursachen entstehend, mit verschiedenen Gegebenheiten ursächlich verbunden
Prävention = Vorbeugung
In|ter|ven|ti|on Allgemeine Bedeutung: Dazwischentreten, (vermittelndes) Eingreifen, Einmischung; hier:erzieherisches bzw. therapeutisches Eingreifen und Handeln gegen Abhängigkeit.
Sozialisanden = Sozialisanden sind Personen, die die Sozialisation von Jugendlichen, also das "Sich-Einfinden" in die Gesellschaft unterstützen. Beispiele: Eltern, Lehrer, Erzieher, Gruppenleiter
initiieren = . zu etwas den Anstoß geben, etwas in die Gänge bringen, eine Initiative starten
Edukand, Educand (lat. Educandus) = der Zuerziehende (früher: der Zögling)
Kognitiv = ko|gni|tiv auf Erkenntnis, Denkarbeit beruhend
Anamnese[die; griechisch, „Wiedererinnerung“]

Res|sour|ce [-sursə f. , meist Pl.] Rohstoff-, Hilfsquelle, Geldmittel
fo|kus|sie|ren tr. 3 1. in einem Brennpunkt vereinigen (Lichtstrahlen); 2. ausrichten (Linsen); 3. mit scharfer Aufmerksamkeit betrachten