Thema: Die moralische Entwicklung nach Kohlberg
Lawrence Kohlberg hat in Anlehnung an Piagets Theorie zur kognitiven Entwicklung eine Theorie zur "Moralischen Entwicklung erarbeitet.
Lawrence Kohlberg Quelle: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/MORALISCHEENTWICKLUNG/Kohlbergmodell.shtml
"Man versteht unter moralischer Entwicklung vornehmlich jene Teilprozesse der Sozialisation, die zur Internalisierung von grundlegenden sozialen Normen und Regeln führen, wobei erwartet wird, dass ein Individuum auch dann den Regeln gemäß handelt, wenn es die Neigung spürt, sie zu übertreten, und wenn weder eine Überwachung vorhanden noch Sanktionen zu fürchten sind. Neben diesem Widerstand gegen die Versuchung ist auch der Aspekt des Schuldgefühls wichtig, d.h., daß nach der Verletzung kultureller Normen selbstbestrafende oder selbstkritische Empfindungen wie Reue und Angst auftreten. Die Internalisierung eines Standards impliziert schließlich auch, daß das Individuum aufgrund der erworbenen Regeln Urteile über eigenes und fremdes Verhalten fällen kann" .
Das moralische Dilemma : „Das Medikament“
„Eine Frau, die an einer besonderen Krebsart erkrankt war, lag im Sterben. Es gab eine Medizin, von der die Ärzte glaubten, sie könne die Frau retten. Es handelte sich um eine besondere Form von Radium, die ein Apotheker in der gleichen Stadt erst kürzlich entdeckt hatte. Die Herstellung war teuer, doch der Apotheker verlangte zehnmal mehr dafür, als ihn die Produktion gekostet hatte. Er hatte 2000 Dollar für das Radium bezahlt und verlangte 20000 Dollar für eine kleine Dosis des Medikaments.
Heinz, der Ehemann der kranken Frau, suchte alle seine Bekannten auf, um sich das Geld auszuleihen, und er bemühte sich auch um eine Unterstützung durch die Behörden. Doch er bekam nur 10 000 Dollar zusammen, also die Hälfte des verlangten Preises. Er erzählte dem Apotheker, dass seine Frau im Sterben lag, und bat, ihm die Medizin billiger zu verkaufen bzw. ihn den Rest später bezahlen zu lassen. Doch der Apotheker sagte: "Nein, ich habe das Mittel entdeckt, und ich will damit viel Geld verdienen."
Heinz hat nun alle legalen Möglichkeiten erschöpft; er ist ganz verzweifelt und überlegt, ob er in die Apotheke einbrechen und das Medikament für seine Frau stehlen soll.
Sollte Heinz das Medikament stehlen oder nicht?“
Das moralische Dilemma 2: “Die Firma“
„Anselm S. lebt zusammen mit seiner Frau und den beiden Kindern in einem neuen Haus am Stadtrand, das sie erst vor drei Jahren bezogen haben. Er ist Chemiker in leitender Position bei einer Lebensmittelfirma, die ihre Zentrale direkt am Ort hat.
Er ist ein Mann mit recht konservativen Ansichten und daher auch stolz darauf, dass seine Frau jetzt nicht mehr mitarbeiten muss. "Das schaffe ich schon alleine!" ist eine seiner Standardredewendungen. Anselms Frau ist mit diesem Zustand ebenfalls sehr zufrieden. Ihr macht es Spaß, sich um Haus und Garten zu kümmern. Außerdem hat sie so genug Zeit für ihre Mutter, der es in letzter Zeit nicht gut geht. Aber selbst wenn sie arbeiten wollte (sie ist gelernte Biologielaborantin), würde es für sie vermutlich sehr schwierig sein, eine Anstellung zu finden, da sie schon seit zwanzig Jahren nicht mehr berufstätig ist.
In seiner Freizeit ist Anselm engagierter Mitarbeiter im örtlichen Tierschutzverein, den er vor etlichen Jahren mitbegründet hat, und der sich gerade wegen der von ihm mitinitiierten Aktionen zu einer in der Stadt anerkannten Institution entwickelt hat. Betreuung des Tierheims, Beratung für Haustierbesitzer, Aktionen gegen Tiertransporte und vor allem gegen Tierversuche, die in einer nahe gelegenen Kosmetikfirma durchgeführt werden, charakterisieren die Arbeit, für die Anselm S. meist federführend ist. Dadurch ist er auch über die Grenzen der Stadt hinaus zu einer bekannten Persönlichkeit geworden. Auch im privaten Bereich hat Anselm S. mit den Mitgliedern der Tierschutzgruppe sehr viel zu tun. Sie und ihre Familien stellen den größten Teil seines Bekanntenkreises dar. Er ist bei allen sehr beliebt.
Beruf, Familie und Hobby bereiten Anselm sehr viel Freude und eigentlich war er mit seinem Leben bisher sehr zufrieden. Doch nun droht dies alles, was er sich mühsam aufgebaut hat, zusammenzustürzen. Von seinem Vorgesetzten hat er erfahren, dass der Stellenabbau, der in seiner Firma seit der Übernahme durch die neuen Besitzer forciert wird, nun auch seine Abteilung treffen soll. Da man ihn als langjährigen Mitarbeiter nicht direkt entlassen kann, soll er, zunächst für ein halbes Jahr, in einer Filiale in der 250 km entfernten Landeshauptstadt eingesetzt werden. Allerdings nicht seiner bisherigen Position entsprechend. Innerhalb dieses Zeitraumes muss er sich dann um eine neue Stelle bemühen. Für einen Mann Anfang Fünfzig keine einfache Sache.
Einige Tage später trifft er in dem kleinen Pub in der Altstadt, in dem er seit einiger Zeit auf dem Nachhauseweg noch einmal kurz ein Bier trinkt, seinen ehemaligen Schul- und Studienkameraden Benno F. Benno ist Chemiker und mittlerweile im Vorstand der großen Kosmetikfirma am Ort. Die einst gute Freundschaft der beiden ist in den letzten Jahren sehr abgekühlt. Der Grund dafür war, dass in dem Unternehmen, in dem Benno Karriere gemacht hat, gerade die Tierversuche durchgeführt werden, gegen die sich Anselm und seine Gruppe so vehement auflehnen.
Benno hat von den Schwierigkeiten in Anselms Firma gehört und kommt ohne große Umschweife darauf zu sprechen. Im Laufe der Unterredung deutet er an, dass bei seiner Firma sehr bald eine Stelle neu zu besetzen sei, für die jemand mit seinen Fähigkeiten sehr geeignet wäre. Er lässt durchblicken, dass Anselm sich sogar finanziell besser stellen würde- auf Dauer, versteht sich. Wenn Anselm sich mit dem Gedanken anfreunden könne, er würde sich gerne für ihn stark machen, da er Vorstandsmitglied sei, wäre dies sicher auch erfolgreich.
Anselm spricht Benno auf die Versuche in den Labors seines Unternehmens an, worauf ihm sein früherer Freund zu verstehen gibt, dass er, wie immer, Scheuklappen trage: Erstens basierten die meisten Produkte nicht auf derartigen Versuchen, sie vertrieben ja auch zahlreiche Naturprodukte. Zweitens würden die Versuche nur einen ganz kleinen Teil von Anselms zukünftigem Arbeitsbereich darstellen. Und drittens, ob Anselm denn meine, dass er sich in seiner jetzigen Situation diese Bedenken leisten könne?
Anselm bittet um eine längere Bedenkzeit, doch Benno teilt ihm mit, dass die Neubesetzung der Stelle schon bald ansteht und er innerhalb der nächsten zwei Wochen zu einer Entscheidung kommen müsse.
In den nächsten Tagen geht Anselm so einiges durch den Kopf, vor allem auch seine beiden Kinder. Die ältere Tochter hat gerade ihr Abitur bestanden und freut sich auf den einjährigen Studienaufenthalt in den USA, den ihr ihre Eltern versprochen haben. Wenn sich die finanzielle Situation der Familie verschlechtert, wird dieser Aufenthalt nicht zu finanzieren sein. Der jüngere Sohn, 14 Jahre alt, hat mit der Schule zurzeit nicht so viel im Sinn. Wie sein Vater ist er ein großer Tierfreund und widmet den größten Teil seiner Freizeit der Arbeit im Tierschutzverein. Sein Vater ist für ihn das große Vorbild.
Soll sich Anselm S. für die Stelle in Bennos Firma entschließen oder soll er ablehnen?“
1. Arbeitsaufgabe:
Lawrence Kohlberg
Diskutieren Sie wie Sie sich entscheiden würden. Gehen Sie dabei auf Pro- und Contra-Argumente ein.
Im Folgenden wollen wir uns mit der moralischen Entwicklung beschäftigen. Die oben dargestellten Geschichten stellen Dilemma-Situationen dar. Heinz in der ersten Geschichte und der Vater in der zweiten Geschichte sind in eine moralische Zwickmühle - Piaget würde sagen in ein kognitives Ungleichgewicht- geraten. Die Lösung solcher Dilemmata soll - so Kohlberg- der moralischen Entwicklung dienen.
„Stufen der moralischen Entwicklung nach Lawrence Kohlberg Die Untersuchung der Entwicklung der Moralvorstellungen des Menschen wird schon seit langem als zentraler Problembereich der Sozialwissenschaften betrachtet. Allerdings ist es schwierig, den Aspekt der Moralentwicklung von den anderen Bereichen der sozialen Entwicklung und Sozialisation - wie z.B. der Entwicklung der Persönlichkeit und Verhaltensmustern, Aggression, Fleiß oder Leistungsmotivation - immer eindeutig abzugrenzen.
Man versteht unter moralischer Entwicklung vornehmlich jene Teilprozesse der Sozialisation, die zur Internalisierung von grundlegenden sozialen Normen und Regeln führen, wobei erwartet wird, dass ein Individuum auch dann den Regeln gemäß handelt, wenn es die Neigung spürt, sie zu übertreten, und wenn weder eine Überwachung vorhanden noch Sanktionen zu fürchten sind.
Neben diesem Widerstand gegen die Versuchung ist auch der Aspekt des Schuldgefühls wichtig, d.h., dass nach der Verletzung kultureller Normen selbst bestrafende oder selbstkritische Empfindungen wie Reue und Angst auftreten. Die Internalisierung eines Standards impliziert schließlich auch, dass das Individuum aufgrund der erworbenen Regeln Urteile über eigenes und fremdes Verhalten fällen kann.
Konkretes moralisches Verhalten kann allerdings niemals isoliert betrachtet werden, denn einerseits wird dieses immer auch von Aspekten der Persönlichkeit und andererseits der aktuellen Situation mitbestimmt werden. Untersuchungen zur Ehrlichkeit bei Kindern etwa haben gezeigt, dass Faktoren wie die Intelligenz, die Fähigkeit zum Bedürfnisaufschub oder auch die Aufmerksamkeit meist in Verbindung zu moralischem Verhalten stehen. Moralisches Verhalten muss daher im großen und ganzen als das Resultat derselben situativen Kräfte, Ich-Variablen und Sozialisationsfaktoren verstanden werden, die auch jene Verhaltensweisen determinieren , die nicht unmittelbar moralisch bedeutsam sind.
Nach Jean Piagets Entwicklungstheorie kommt das Kind aus einem amoralischen Stadium in ein Stadium des Respekts gegenüber unverletzlich scheinenden Regeln. Das Kind betrachtet solche Regeln allerdings wie andere Dinge (kindlicher Realismus) und ist unfähig, zwischen subjektiven und objektiven Aspekten der Umwelt bzw. seiner Erfahrung mit ihr zu unterscheiden (Egozentrismus ). Während das Vorschulkind und Schulkind von einer autoritätsbestimmten (= heteronomen ) Moral geleitet wird entwickelt sich gegen Ende des Grundschulalters eine selbst bestimmte (autonome) Moral, die unabhängig von den erwachsenen Bezugspersonen wirksam ist.
Piaget und Kohlberg
Jean Piaget
Quelle: http://www.psicoterapiaintegrativa.com/therapists/images/Jean_Piaget10.jpg
Kohlberg (in jungen Jahren)
Aufbauend auf Piagets Modell entwickelte Lawrence Kohlberg ein differenziertes Stufenmodell mit drei Hauptniveaus und sechs Stadien moralischen Verhaltens. Er legte Kindern und Jugendlichen eine Reihe von hypothetischen moralischen Konfliktsituationen vor (etwa, ob man ein teures Medikament stehlen darf, um den Tod seiner eigenen Frau abzuwenden) und ordnete die Reaktionen den einzelnen Stufen bzw. Stadien zu. Zwar ergab sich eine gute Übereinstimmung mit den theoretischen Annahmen, doch zeigte sich auch, dass es große Unterschiede im Entwicklungsverlauf der einzelnen Kinder gibt und dass auf den einzelnen Altersstufen Urteile im Sinne verschiedener Stadien abgegeben werden, je nach Situation und Problemstellung.
Definition für "Moralisches Dilemma":
Ein moralisches Dilemma liegt vor, wenn gut begründete Werturteile einander gegenüberstehen und die Entscheidung für ein Werturteil die Vernachlässigung des anderen miteinschließt: Dein Freund hat gestohlen. Verrätst du ihn? (Dilemma: Solidarität vs. Gerechtigkeit)
2. Arbeitsaufgabe:
Fassen Sie die oben dargestellte Einleitung zu Kohlbergsstufenmodell mit eigenen Worten zusammen.
Kohlbergs Stufen- bzw. Phasenmodell
Niveau A: Präkonventionelles Niveau (die meisten Kinder unter 9 Jahren)
Stufe Definition Exemplarische Maxime
Stufe 1: Die heteronome Stufe Gut ist der blinde Gehorsam gegenüber Vorschriften und gegenüber Autorität, Strafen zu vermeiden und kein körperliches Leid zu erdulden "Macht ist Recht!" (eine den Nazis zugeschriebene Parole)
Stufe 2: Die Stufe des Individualismus, des Zweck-Mittel-Denkens und des Austauschs Gut ist es, eigenen oder anderen Bedürfnissen zu dienen und im Sinne des konkreten Austauschs fair miteinander umzugehen. "Eine Hand wäscht die andere!" (Volksweisheit)
Präkonventionielles Stadium
In diesem Stadium ist das Kind für klare Etikettierungen wie "gut und böse", "richtig oder falsch" empfänglich. Es legt diese entweder im Sinne der materiellen oder lustvollen (=hedonistischen ) Konsequenzen der Tat (Bestrafung, Belohnung, Austausch von Vergünstigungen) aus oder im Sinne der physischen Macht derjenigen, die die Regeln und Etikettierungen aufstellen.
Heteronome Moralität
Die materiellen Konsequenzen einer Handlung entscheiden darüber, ob eine Tat als gut oder schlecht angesehen wird, unabhängig von der menschlichen Bedeutung oder dem Wert dieser Konsequenzen. Das Kind orientiert sich ausschließlich an der Strafvermeidung und der Unterwerfung unter die Macht und nicht an der Achtung vor der zugrunde liegenden moralischen Ordnung, die durch die Bestrafung und Autorität aufrechterhalten wird. Die soziale Perspektive des Verhaltens ist immer individuell (Egozentrismus) und Handlungen werden rein nach dem äußeren Erscheinungsbild beurteilt und nicht nach irgendwelchen "dahinter liegenden" Absichten.
Individualismus, Zielbewusstsein und Austausch
Richtiges Handeln ist das, wodurch die eigenen Bedürfnisse und -gelegentlich - die Bedürfnisse anderer befriedigt werden. Die menschlichen Beziehungen werden wie die Beziehungen auf einem Marktplatz gesehen. Gerecht ist, was ein gleichwertiger Austausch, ein Handel oder ein Übereinkommen ist. Elemente von Fairness, von Reziprozität (Wechselseitigkeit) und gerechtem Teilen sind vorhanden, sie werden aber eher pragmatisch interpretiert. Gegenseitigkeit ist eine Angelegenheit von "eine Hand wäscht die andere", nicht von Loyalität, Dankbarkeit und Gerechtigkeit, d.h., unabhängig von konkreten Personen existierenden Normen. Die soziale Perspektive ist deutlich individualistisch, wobei bereits die Einsicht besteht, dass es Interessenskonflikte gibt und Gerechtigkeit ein relativer Begriff ist.
Konventionelles Stadium
Niveau B: Konventionelles Niveau (die meisten Jugendlichen und Erwachsenen)
Stufe 3: Die Stufe gegenseitiger interpersoneller Erwartungen, Beziehungen und interpersoneller Konformität Gut ist es, eine gute (nette) Rolle zu spielen, sich um andere zu kümmern, sich Partnern gegenüber loyal und zuverlässig zu verhalten und bereit zu sein, Regeln einzuhalten und Erwartungen gerecht zu werden. "Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg' auch keinem andern zu!" (Die Goldene Regel; vgl. Lukas-Evangelium 6,31)
Stufe 4: Die Stufe des sozialen Systems und des verlorenen Gewissens Gut ist es, seine Pflichten in der Gesellschaft zu erfüllen, die soziale Ordnung aufrecht zu erhalten und für die Wohlfahrt der Gesellschaft sorge zu tragen. "Ruhe ist die erste Bürgerpflicht!" (aus der Bekanntmachung, die am 17. 10. 1805 nach der Schlacht bei Jena an die Straßenecken Berlins angeschlagen wurde)
In diesem Stadium wird die Unterstützung der Erwartungen der Familie, Gruppe oder Gesellschaft des Einzelnen als wertvoll an sich verstanden, unabhängig von den unmittelbaren oder offensichtlichen Konsequenzen. Die Haltung des Einzelnen ist nicht nur konform mit den persönlichen Erwartungen und der sozialen Ordnung, sondern sie ist auch von Loyalität dieser Ordnung gegenüber gekennzeichnet, was sich in einer aktiven Unterstützung, Verteidigung und Rechtfertigung der Ordnung und in der Identifizierung mit den sie tragenden Personen oder Gruppen äußert. Auf diesem Stadium erlebt das Kind sich als Mitglied einer Gemeinschaft.
Wechselseitige Erwartungen, Beziehungen und interpersonale Konformität
Gutes Verhalten ist ein Verhalten, das anderen gefällt, ihnen hilft und von ihnen gelobt wird. Man beobachtet Konformität mit stereotypen Vorstellungen davon, was "natürliches" oder Mehrheitsverhalten ist. Das Verhalten wird schon häufig nach der dahinterstehenden Absicht beurteilt. "Er meint es gut" wird zum erstenmal wichtig. Man bemüht sich um Lob, indem man "lieb" ist ("braves Kind"). Man möchte in den eigenen Augen und in denen anderer als "guter Mensch" dastehen und dadurch die Zuneigung anderer gewinnen. Die soziale Perspektive des Handelns orientiert sich an dem Gefühl der Gemeinschaft, der Übereinkünfte und Erwartungen, die Vorrang vor individuellen Interessen bekommen. Das Kind kann sich bereits in einen anderen hineinversetzen.
Soziales System und Gewissen
Das Kind orientiert sich an der Autorität, an festen Regeln und an der Aufrechterhaltung der sozialen Ordnung. Richtiges Verhalten besteht darin, seine Pflicht zu tun und die gegebene soziale Ordnung um ihrer selbst willen zu erhalten. Das Recht steht im Dienste der Gesellschaft, einer Gruppe oder Institution, wobei eingesehen wird, dass Regeln dazu da sind, das Funktionieren der Gemeinschaft zu gewährleisten. Auf dieser Stufe macht man einen Unterschied zwischen dem gesellschaftlichen Standpunkt und der interpersonalen Übereinkunft bzw. den auf einzelne Individuen gerichteten Motiven. Das Kind kann auf dieser Stufe den Standpunkt des sozialen Systems einnehmen, das Rollen und Regeln festlegt.
Post konventionelles, autonomes oder von Prinzipien geleitetes Stadium
Niveau C: Postkonventionelles Niveau (einige Erwachsene über 20 Jahre)
Stufe 5: Die Stufe des Sozialvertrages oder des Nutzens für alle und der Rechte des Individuums Gut ist es, die Grundrechte zu unterstützen sowie die grundsätzlichen Werte und Verträge einer Gesellschaft, auch wenn sie mit den konkreten Regeln und Gesetzen eines gesellschaftlichen Subsystems kollidieren. "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen." (Art. 14 II GG)
Stufe 6: Die Stufe der universalen ethischen Prinzipien Gut ist es, ethische Prinzipien als maßgebend zu betrachten, denen die ganze Menschheit folgen sollte. "Handle nur nach der Maxime, von der du wollen kannst, dass sie allgemeines Gesetz wird!" (Kants Kategorischer Imperativ
In diesem Stadium besteht ein deutliches Bemühen, moralische Werte und Prinzipien zu finden, die ihre Gültigkeit und Bedeutung unabhängig von der Autorität von Gruppen oder Menschen haben, die diese Prinzipien vertreten, aber auch unabhängig von der Identifizierung des einzelnen mit diesen Gruppen.
Das Stadium des sozialen Kontraktes bzw. der gesellschaftlichen Nützlichkeit
Richtiges Handeln wird in erster Linie im Sinne allgemeiner, individueller Rechte und der von der gesamten Gesellschaft kritisch geprüften und gebilligten Normen definiert. Das Kind ist sich des Relativismus der persönlichen Werte und Meinungen klar bewusst, sowie der damit verbundenen Notwendigkeit, Verfahrensregeln einzuhalten, die zu einem Konsens führen. Abgesehen von dem, worauf man sich verfassungsmäßig und demokratisch geeinigt hat, ist das Recht eine Angelegenheit der persönlichen "Werte" und "Meinungen". Die soziale Perspektive ist auf dieser Stufe der Gesellschaft vorgeordnet, wobei Konflikte zwischen einzelnen legalen Handlungen erkannt und integriert werden können.
Das Stadium der universalen ethischen Prinzipien
Das Recht ist durch die Gewissensentscheidung im Einklang mit den selbst gewählten, ethischen Prinzipien definiert, die sich auf die logische Vollständigkeit, Allgemeingültigkeit und Konstanz berufen. Diese Prinzipien sind abstrakt und ethisch ("goldene Regel", "kategorischer Imperativ"); es sind keine konkreten moralischen Regeln wie die zehn Gebote. Im Grunde sind es allgemeingültige Prinzipien der Gerechtigkeit, der Reziprozität, der Gleichheit der Menschenrechte und der Achtung vor der Würde des Menschen als Einzelwesen. Auf dieser Stufe hat das Individuum die Perspektive eines moralischen Standpunktes, dass jeder Mensch seinen (End)Zweck in sich selbst trägt und dementsprechend behandelt werden soll“
Quelle: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/MORALISCHEENTWICKLUNG/
Arbeitsaufgaben:
3. Stellen Sie mit eigenen Worten das Kohlbergmodell dar.
4. Erstellen Sie eine eigene farbige Graphik zur Theorie von Kohlberg
5. Stellen Sie das Kohlbergmodell dem Stufenmodell von Piaget gegenüber. Erläutern Sie
Parallelen bzw. Verbindungen.
6. Diskutieren Sie die These: "Das Erleben von moralischen Dilemma-Situationen kann die moralische Entwicklung von jungen Menschen fördern".
7. Stellen Sie mögliche pädagogische Konsequenzen des Kohlberg-Modells dar!
Praktische Anwendung oder: Moral kann man lernen
"In dem Diskussionsbeitrag von Oliver Plessow in diesem Magazin reflektiert der Autor über die Verwendung von Dilemma-Geschichten aus der NS-Zeit. Verdient gemacht hat sich in diesem Bereich die Arbeitsgruppe Moral- und Demokratiepsychologie um Prof. Georg Lind an der Universität Konstanz, wo die Methode entwickelt worden ist und als Konstanzer Methode der Dilemma-Diskussion (KMDD) als Marke geschützt ist. An der Universität Konstanz werden Ausbildungskurse in der Anwendung der KMDD angeboten und Zertifikate als KMDD-Lehrer verliehen.
Eine Dilemma-Diskussion ist eine beispielhafte Problemgeschichte, die eine Person mit einem Wertekonflikt konfrontiert. Lernende sollen sich in diese Person hineinversetzen und mögliche Handlungen gegeneinander abwägen. Grundlage dieser Methode ist laut Georg Lind die Erkenntnis, dass alle Menschen hinsichtlich ihrer Ideale und moralischen Wertungen gleich sind. Sie unterscheiden sich jedoch in ihrer Fähigkeit, diese Ideale in schwierigen Situationen auch zu verfolgen, also: moralisch zu handeln. Die KMDD wurde entwickelt, um sowohl bei Kindern wie bei Erwachsenen, moralische Urteils- und Diskursfähigkeit zu fördern. Sie verstehen moralische Urteilsfähigkeit nach dem US-amerikanischen Psychologen Lawrence Kohlberg als "das Vermögen, Entscheidungen und Urteile zu treffen, die moralisch sind, das heißt, auf inneren Prinzipien beruhen und in Übereinstimmung mit diesen Urteilen zu handeln" (Homepage der Arbeitsgruppe) , und zwar selbst dann, wenn man unter Druck entscheiden müsse.
Die KMDD beruht also auf der Überzeugung, dass Moral nicht nur eine Einstellung, sondern auch eine Fähigkeit sei, die man erlernen könne. Lind versteht sie als eine Weiterentwicklung der Blatt-Kohlberg-Methode. Die verbesserte Methode ist von den Konstanzern empirisch getestet, auf verschiedene Zielgruppen angewandt und kontinuierlich weiter entwickelt worden. So wurden psychologische Prinzipien erarbeitet, die für den erfolgreichen Einsatz der Methode von Bedeutung sind.
Lind verweist im Rahmen einer Erläuterung seiner Methode, die Sie auf der Homepage der Arbeitsgruppe Moral- und Demokratiepsychologie nachlesen können darauf, dass das Wichtigste an der KMDD die Lehrperson sei, die sie anwendet. Das KMDD-Ausbildungsprogramm, das die Arbeitsgruppe anbietet, soll Lehrerinnen und Lehrern, Pädagoginnen und Pädagogen die Kompetenzen vermitteln, die Methode erfolgreich in der eigenen Unterrichtspraxis anzuwenden. Die Ausbildung besteht u.a. aus einem 5-tägigen Seminar und dem Erarbeiten eines Portfolios als Dokumentation von Übungsaufgaben und einem best-practice Video. Mehr Informationen zur Ausbildung sowie die Möglichkeit, sich dafür anzumelden, finden Sie auf der Homepage der Arbeitsgruppe. Im Jahr 2009 fand in Konstanz eine Konferenz unter der Fragestellung „Can Morality be Taught? Is it a Competence?“ statt, deren Vorträge als Videos dokumentiert wurden. Die Beiträge behandeln Themen wie „Freiheit und Demokratie in der Schule erleben: Die Konstanzer Methode der Dilemma-Diskussion“, „New challenges of Moral Democratic Education“ oder „Development of Moral Competence in Teachers Education“ und können auf der Homepage der Universität Konstanz angesehen werden. " (Quelle: http://lernen-aus-der-geschichte.de/Lernen-und-Lehren/content/9463)
Professor Dr. Georg Lind
Quelle: http://www.seemoz.de/lokal_regional/kmdd-eine-zauberformel-aus-konstanz/
Zeitungsartikel: Moralerziehung in der JVA Geldern / Pont
"Moral im Strafvollzug: Lernen mit Dilemmata.
Projekttag in der JVA Geldern – moralische Kompetenz in Fokus rücken PONT.
Erst zuschlagen, dann sprechen – das ist die Reihenfolge, in der so mancher Jugendliche auftretende Probleme löst. Dies gilt nicht zuletzt für die Inhaftierten der Jungstraftäterabteilung der Justizvollzugsanstalt Geldern in Pont. Um dem entgegenzuwirken, gibt es dort ein Pflichtprogramm mit dem Titel „Moral and more“, das der Diplom-Sozialpädagoge Heinz Nielen eingeführt hat. Ziel sei die „Vermittlung moralischer Kompetenz“, erläutert Nielen, und damit die Fähigkeit, Konflikte ohne Gewalt zu lösen.
Jemand, der sich mit diesem Thema intensiv auseinandergesetzt hat, ist Prof. Dr. Georg Lind von der Universität Konstanz. Er hat die Konstanzer Methode der Dilemma-Diskussion (KMDD) entwickelt, bei der die Förderung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit im Mittelpunkt steht. „Es ist der Versuch, Moral etwas anders anzugehen“, sagt Lind, der anlässlich eines Projekttages zu Gast in der JVA in Pont war, zu dem auch Vertreter anderer Anstalten aus ganz NRW eingeladen waren. Die moralische Urteilsfähigkeit – also Entscheidungen zu treffen, die moralisch sind und nach ihnen zu handeln – ist laut Heinz Nielen eine wichtige Komponente des Strafvollzugs. Denn Straftäter haben eine niedrige moralische Urteilsfähigkeit, die während der Inhaftierung weiter zurückgeht. Um diesem Effekt entgegenzuwirken, gibt es in Pont das Projekt „Moral and more“ – und eben die KMDD. Bei der KMDD geht es um kleine Geschichten, in denen Personen sich in einer Dilemma-Situation befinden und diese lösen müssen. Diese Lösung wird dann in den Gruppen diskutiert und bewertet. „Die Geschichten sind real, die Personen fiktiv“, sagt Lind. „Wir nutzen sehr schwierige Moraldilemmata, die abgeschwächt sind, um die Teilnehmer nicht zu verletzen.“
Gleichzeitig seien die Situation aber herausfordernd, so dass man sich intensiv damit auseinandersetzen müssen, denn nur so könne ein Lerneffekt erzielt werden. Seit fünf Jahren Das „Moral and more“-Projekt in Pont gibt es seit mittlerweile fünf Jahren.
Alle zwei Wochen trifft sich Nielen mit Jungstraftätern für eine knappe Stunde. Dabei beginnt er zunächst mit einer Phase des Kennenlernens, bevor ein moralischer Urteilstest (MUT) folgt. Und schließlich folgen Elemente aus der KMDD: Dabei vertreten Nielen und Georg Lind verschiedene Ansichten, wie eine Diskussion beim Projekttag „Auch im Strafvollzug ist Moral lehrbar“ in der JVA zeigt.
Nielen erläutert: „Ich kann nicht sofort mit Dilemma- Diskussionen einsteigen, denn die Jugendlichen sind viel zu unruhig. Außerdem herrscht ein großes Misstrauen.“ Dem widerspricht der Konstanzer Professor. Er sagt, die KMDD könne von Beginn an eingesetzt werden – vorausgesetzt, der Leiter der Gruppe sei entsprechend geschult. „Sie leisten eine hervorragende Arbeit“, lobt er Nielen, schiebt jedoch nach: „Man kann es aber noch besser machen mit der KMDD.“
Dr. Kay Hemmerling, der mit Georg Lind nach Pont gekommen ist, versucht den Brückenschlag. Eine gute Ausbildung sei die Grundvoraussetzung, und es gelte auf jeden Fall, bestimmte Standards einzuhalten. „Die Frage ist aber auch, wie man die KMDD für die örtlichen Begebenheiten adaptieren ( = anpassen) kann, etwa durch Anpassen der Geschichte.“
Auch wenn er noch nicht ausgebildeter KMDD-Lehrer ist– was noch folgen soll – so hat Heinz Nielen mit seinem Projekt bislang nur gute Erfahrungen gemacht. „Die moralische Urteilsfähigkeit der Gruppenmitglieder hat zugenommen“, berichtet er. Daher wirbt er dafür, dass auch in anderen Justizvollzugsanstalten mit Jungstraftäterabteilungen das Thema mehr in den Fokus rückt. Michael Bühs "
Quelle: Niederrhein Nachrichten vom Samstag, 3. März 2012
https://www.nno.de/zeitungsarchiv/2012/wo09/NNO09_SA_GOKL.pdf
Diplom-Sozialpädagoge Heinz Nielen
Quelle: http://www.rp-online.de/nrw/staedte/kleve/ex-spd-chef-kritisiert-verwaltung-aid-1.3525454
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Fußnoten:
Moral [lat.] die 1. Sittlichkeit, das Gute 2. System von Wertvorstellungen und Geboten , das Handlungen und Einstellungen nach Gut und Böse unterscheidet;
http://paedpsych.jk.uni-linz.ac.at/internet/arbeitsblaetterord/ENTWICKLUNGORD/Kohlbergmodell.html
Dilemma [griechisch, eigentlich »Doppelgriff«] , Zwangslage, welche die Entscheidung zwischen zwei (nicht befriedigenden) Lösungen erfordert; Klemme. Das Dilemma stellt eine schwierige Wahl zwischen zwei gleichwertigen Übeln dar.
Radium = Radium radioaktives chemisches Element [<lat. radius ”Strahl“, radiare ”Strahlen aussenden“]
Stangl, Werner http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/MORALISCHEENTWICKLUNG/KohlbergDilemmata.shtml#Das Heinz Dilemma (Januar 2004)
forciert = in besonderen Maße (leitet sich von Fokus = Brennpunkt ab)
Stangl, Werner a.a.O.
Stangl, Werner http://paedpsych.jk.uni-linz.ac.at/internet/ARBEITSBLAETTERORD/ENTWICKLUNGORD/KohlbergModell.html
Sozialisation= Sozialisation, ein zusammenfassender Begriff für den Prozess der geplanten und ungeplanten Vermittlung, Einübung bzw. des Erlernens der Werte, Normen und Techniken einer Gesellschaft, mit dem Ziel der Erlernung spezifischer Rollen bzw. Verhaltensweisen in einer Gesellschaft. Art und Weise der Sozialisation ist je nach Kultur und Gesellschaft verschieden. Sie ist abhängig von der Zughörigkeit der Schicht- und Gruppen.
Internalisierung= (Verinnerlichung), die Übernahme beziehungsweise das Sich-zu-Eigen-Machen von Werten, Normen, Auffassungen
impliziert= mit (unausgesprochen) einbeziehen, einschließen, einbegreifen
determinieren = determinieren festlegen, bestimmen, begrenzen; ein Ziel, einen Plan d. [<lat. determinare ”abgrenzen, bestimmen, festsetzen
Egozentrismus = eine natürliche, entwicklungsbedingte Ich-Bezogenheit und kognitive (=gedankliche) Zentriertheit auf die eigene Person. Nicht zu verwechseln mit Egoismus.
Heteronomie = griechisch, „Fremdgesetzlichkeit“, „Fremdbestimmung“] das Wirken bzw. das Stehen unter einer Gesetzlichkeit, die von einem fremden Bereich ausgeht, besonders im politischen und sittlichen Bereich; Gegensatz: Autonomie.
hypothetisch = auf Annahme beruhend;
http://wiki.zum.de/Moralisches_Dilemma
Stangl, Werner http://paedpsych.jk.uni-linz.ac.at/internet/ARBEITSBLAETTERORD/ENTWICKLUNGORD/KohlbergTabelle.html
konventionell= den Konventionen entsprechend, Konvention = 1. Vereinbarung, Übereinkunft; 2. . Herkommen, Brauch
Etikettierung= Bezeichnung für den Sachverhalt, dass soziale Kontrollinstanzen, Menschen, die mit ihnen in Berührung kommen, negative Merkmale zuschreiben, so dass sich die sozialen Chancen der so Etikettierten verringern.
hedonistisch [Adj. , o. Steig.] zum Hedonismus gehörend, ihn betreffend. Hedonismus = die Lehre der Kyrenaiker (begründet von Aristippos), dass das höchste Gut, mithin der Endzweck des Handelns, die Lust sei; dabei bedeutet Lust mehr als nur sinnliche Lust; das Glück der Menschen wird als Freisein von Unlust definiert;in der Psychologie auch Oberbegriff für Motivationstheorien, die in der Suche nach Lustgewinn und in der Vermeidung Unlust erzeugender Anforderungen den Hauptantrieb des Menschen sehen. - hedonistisch, nach Lust und Genuss strebend
inter= zwischen, über
Konformität= Anpassung
stereotypen = immer wieder vorkommenden, sich gleichartig wiederholenden
post = nach, Gegensatz zu pre = vor
Relativismus= die Lehre, dass es im Erkennen, Denken, Handeln, Werten kein Unbedingtes, Absolutes gibt. Alle Erkenntnis besteht und gilt demnach vielmehr nur relativ: z. B. in Beziehung zu einem Subjekt, einem Standpunkt