Einführung in das Fach Erziehungswissenschaft
Definitionen des Begriffs Erziehung im Vergleich
Das Unterrichtsfach Erziehungswissenschaft beschäftigt sich – wie der Name schon vermuten lässt – auf wissenschaftlicher Ebene mit allem was mit Erziehung zu tun hat und was Erziehung impliziert .
Anders als in vermeintlich naturwissenschaftlichen Fächern gibt es in der Erziehungswissenschaft bzw. in der Pädagogik nicht die EINE festgelegte Definition oder Vorstellung zum Begriff Erziehung. Daher werden wir uns im folgenden durch verschiedene Definitionen aus unterschiedlichen Zeitepochen und von unterschiedlichen Autoren schrittweise einem heute gängigen Verständnis von Erziehung nähern.
Erziehung und alle Vorstellungen, die mit diesem Begriff in Verbindung stehen waren im Laufe der Jahrhunderte immer auch ein Spiegel des jeweils herrschenden Zeitgeistes. Oftmals können Parallelen beobachtet werden zwischen den jeweiligen Erziehungsvorstellungen und den politischen Systemen, die Handeln und Denken der Menschen bestimmt haben.
Arbeitsaufgabe 1:
Versuchen Sie zunächst eine eigene ausführliche Definition des Begriffes Erziehung zu formulieren. Beachten Sie dabei die Kriterien zur Erstellung einer Definition wie Sie sie unten in der Fußnote finden können
Erziehung (Definition - Grundbegriffe)
Im Folgenden untersuchen wir verschiedene Vorstellungen zu den Begriffen Erziehung und zu Erziehungshandeln. Diese Vorstellungen und Gedanken sollen miteinander auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede verglichen werden.
Das Pädagogiklexikon von 1925 (Herder) formulierte:
Die jüngere Generation wächst in die ältere hinein und es findet eine spontane, von selbst erfolgende Assimilation (Anpassung) statt...Die Zucht hat zunächst die jungendlichen Strebungen zu regeln, denen gegenüber sie sich gewährendlassend, unterstützend und gegenwirkend verhalten kann. Sie wirkt dabei durch Reiz und Druck, Gebot und Verbot, Versprechung und Drohung, Lohn und Strafe. Die zu treffenden Maßregeln dürfen sich nicht vereinzeln, sondern müssen zur Erziehung von Gewöhnungen zusammenwirken und in sofern ist die Zucht ein Zusammenschluss von Regungen des Strebens und Wollens.“
Arbeitsaufgabe 2: Setzen Sie sich den Ausführungen des alten Pädagogiklexikons kritisch auseinander und begründen Sie Ihre Thesen.
Verschiedene Pädagogen und Zeitepochen – verschiedene Erziehungsverständnisse
„Torheit steckt dem Knaben im Herzen; aber die Rute der Zucht treibt sie ihm aus.“
„Lass nicht ab, den Knaben zu züchtigen; denn wenn Du ihn mit der Rute schlägst, so wird er sein Leben behalten; Du schlägst ihn mit der Rute, aber Du errettest ihn vom Tode.“
(Altes Testament – Sprüche Salomos vor ca. 3000 Jahren)
„Es wäre besser für ihn (den Erwachsenen) das man einen Mühlstein an seinen Hals hängte und würfe ihn ins Meer, als er einen dieser Kleinen (den Kindern) zum Abfall verführt (also etwas Schlechtes antut). Wenn jemand sündigt, so weise ihn zurecht und wenn er es bereut vergib ihm...“ . Neues Testament vor ca. 2000 Jahren)
„....können wir die Erziehung definieren als die fürsorgende, führende und bildende Einwirkung gereifter Menschen auf die Entwicklung werdender, um diesen an die Lebensgemeinschaften begründenden Gütern Anteil zu geben. Die erziehliche Einwirkung der Gereiften auf die Jugend hat Einwirkungen des umgebenden Lebens neben sich, die sie teils fördern, teils ersetzen und teils beeinträchtigen". Quelle: „Lexikon der Pädagogik“ Band I, Freiburg im Breisgau 1913; Seite 1158
"Unter Erziehung wird hier nicht zuerst die Summe der von Menschen erdachten und ausgeübten Maßnahmen der Erziehungskunst verstanden, sondern jene alle Wirklichkeit durchwaltende Funktion, welche es vollbringt, was wir am Menschen die Vergeistigung, die Humanisierung, sein persönliches Leben, die Persönlichkeit nennen. Erziehung ist in diesem Sinne ebenso eine Tatsache wie das Leben und im Wesensgrunde genau so unerklärlich. Wie aber die beste Lebensführung, auch die beste ärztliche Unterstützung des Lebens, diejenige ist, welche im Einklang mit den Naturgesetzen des Lebens bleibt, so muss sich auch alle Erziehungskunst jener kosmischen Funktion der Erziehung einzuordnen suchen. Wie es eine innere Selbststeuerung des Lebens gibt, eine Selbstregelung des Organismus auf seinen Sinn hin, so auch eine der persönlich-geistigen Entwicklung." (S. Petersen, P.: Der kleine Jena-Plan. - Weinheim, Basel, 1996; Erstausgabe: 1927 S 12f)
Dort aber ereignet sich Erziehung, wo in einer menschlichen Gemeinschaft Menschen absichtslos füreinander da sind und tätig sind." (S.16) "Sodann aus der Einsicht heraus, dass kein Mensch dort gutes Leben und gutes Verhalten schaffen kann, wo es nicht schon in den Menschen des betreffenden Kreises vorhanden ist. Ebenso wenig kann ein Lehrer Verständnis für Musik und musikalisches Können dort erreichen, wo in einem Schüler keinerlei Musikalisches angelegt ist" (S.108Petersen, P.: Der kleine Jena-Plan. - Weinheim, Basel, 1996; Erstausgabe:1927)
„T. Ziller (1876) formuliert zur Erziehung: „Eine absichtlich, planvolle Einwirkung auf einen Menschen, und zwar auf einen einzelnen Menschen als solchen, in seiner frühesten Jungend, eine Einwirkung zu dem Zweck, dass eine bestimmte aber zugleich bleibende Gestalt (seines Willens = Charakter = Gesinnung), dem Plane gemäß, bei ihm ausgebildet werden“.(S. Petersen a.a. O.)
„W. Flitner sagt: „Von außen und vom einzelnen her gesehen, ist Erziehung mit dem Wachstumsprozess die verbundene Entfaltung des Naturwesens Mensch zur Anpassung an die Lebensbedingungen und zur Entfaltung seiner Lebensfülle.
1. Von außen und vom gemeinsamen her gesehen ist sie kultureller Einordnungsprozess...
2. Von innen und vom gemeinsamen der geschichtlichen-gesellschaftlichen Seite her gesehen ist sie geistiger Entwicklungsprozess als Höherführung des reifenden Menschen der Begegnung und im geistigen Verkehr mit gereifteren...
von innen und von der personalen Existenz des Menschen her gesehen ist Erziehung schließlich der geistige Erweckungsprozess eines friedlichen und vertrauenden Lebens...“
„F.X. Eggersdorfer interpretierte die Erziehung „als Heilswille am werdenden Menschen. In dieser Formel suchte er das Wesen der Erziehung zusammen zu fassen, nämlich die liebevolle Hilfe für den werdenden Menschen, damit er aus den Einwirkungen der Umwelt zu seinem und der Gemeinschaft Besten nach seiner Bestimmung seiner Anlagen entfalten.“( Lexikon der Pädagogik neue Ausgabe, 1. Band, Freiburg 1970, Seite 392)
„Brezinka formuliert: Es seien unter Erziehung Handlungen zu verstehen, die in der Absicht erfolgen (oder: die den Zweck haben), in anderen Menschen gemäß für sie gesetzten Normen (Sollensforderungen, Idealen, Zielen) psychische Dispositionen hervorzubringen, zu fördern, zu ändern, abzubauen oder zu erhalten.“
Quelle: Brezinka, W. : „Erziehungsbegriffe“ 1976, Seite 129
Erziehung ist die planmäßige Tätigkeit zur Formung junger Menschen, die mit allen ihren Anlagen und Kräften zu vollentwickelten, verantwortungsbewussten und charakterfesten Persönlichkeiten im Sinn der geltenden Persönlichkeitsideale gebildet werden sollen (intentionale Erziehung). Zur Erziehung gehören außer Wissensvermittlung und Ausbildung von Fertigkeiten (den Hauptaufgaben des Unterrichts) Willensbildung, Charakterbildung, Gewissensbildung sowie die Entwicklung der Fähigkeit, sich selbst zu sehen und zu beurteilen. Die wichtigsten Institutionen sind das Elternhaus und die Schule, daneben Kirche, Jugendorganisationen u. a.; in autoritären Staaten wird die Erziehung durch den Staat politisch beeinflusst und gelenkt. - Im weiteren Sinne ist Erziehung die Gesamtheit aller Bestrebungen, die den Erziehungsvorgang, absichtlich, direkt oder indirekt beeinflussen (Beispiel der Umwelt, Gewöhnung; funktionale Erziehung). Quelle: Internet, www.wissen.de
Erziehung - Weitergeben, was stärkt und nützt. Der Begriff Erziehung bezeichnet im Allgemeinen die Einflussnahme der Erwachsenen auf die Entwicklung der Kinder. Neben der individuellen Erziehung durch die Eltern oder andere Bezugspersonen werden in vielen Kulturen besondere Erziehungsinstitutionen mit dafür ausgebildeten Betreuern eingerichtet. Ein großer Teil der Erziehung vollzieht sich im institutionellen Rahmen (Kindergarten, Schule, Universität, Ausbildungsplatz, Wehrdienst). Erziehungsmaßnahmen begleiten die ganze Kindheit und das Jugendalter. Als Erwachsener wird der Mensch dann weiter von staatlichen Gesetzen erzogen. Quelle: Internet, www.wissen.de
Nach W. Brezinka ist der Begriff "Erziehung" sehr schillernd und enthält sieben, zum Teil sich widersprechende, Bedeutungen:
1. Erziehung ist ein Prozess.
2. Erziehung ist Resultat des Prozesses.
3. Erziehung ist die Tätigkeit des Erziehenden
4. Erziehung ist auch die Tätigkeit des Educanden, da er sich "selbst erzieht".
5. Erziehung ist die Bezeichnung für die Interaktion von Erzieher und " Educanden“
6. Erziehung ist das Ziel des Pädagogen
7. Erziehung ist das Ergebnis des Zusammenwirkens von gesellschaftlichen Verhältnissen.
W. Brezinka befreit deshalb den Begriff der Erziehung von der Ungenauigkeit definiert ihn eindeutig.
Definition: Erziehung ist eine:
...Handlung,durch die Menschen versuchen, die Persönlichkeit anderer Menschen in irgendeiner Weise zu fördern.
...Unter Erziehung werden Handlungen verstanden, durch die Menschen versuchen, das Gefüge der psychischen Disposition anderer Menschen in irgendeiner Hinsicht dauerhaft zu verbessern oder seine als wertvoll beurteilten Bestandteile zu erhalten oder die Entstehung von Dispositionen, die als schlecht bewertet werden, zu verhüten.
W. Brezinka zitiert n. R. Arnold. S. 31
„ Der weite Begriff von Erziehung.
Was Erziehung ist lässt sich nicht für alle Zeiten bestimmen. Es gibt kein für jede Epoche verbindliches Wesen der Erziehung, an dem der Erzieher sein Erziehungshandeln ausrichten und kontrollieren könnte. Was Erziehung ist, muss in jeder Zeit neu ermittelt werden, ihr Wesen ist geschichtlich. Will man die mannigfachen Erscheinungen von Erziehung in einem Begriff zusammen fassen, so muss dieser sehr weit und formal und nahezu inhaltsleer sein. Erziehung meint dann alle Maßnahmen und Prozesse, die dem als Mensch geborenen Wesen helfen, in seine Menschlichkeit hinein zu finden.“
„Der (ehemalig) DDR-Pädagoge Naumann definiert: „Erziehung ist bewusste, in unmittelbaren zwischenmenschlichen Beziehungen und durch Auseinandersetzung mit der Umwelt und sich selbst erfolgende Bewusstseinsformung und körperliche Entwicklung der Persönlichkeit.“
„Erziehung geschieht immer im Wechselspiel zwischen dem Zu-Erziehenden (=Edukanden ), der bestimmte Lernprozesse bewältigen muss, und dem Erzieher, der diese Lernprozesse absichtlich und bewusst herbeiführt, auslöst oder unterstützt um mit bestimmten Handlungen das Verhalten des zu Erziehenden relativ dauerhaft ändern will, und dem Erziehungsziel, das Erzieher vor Augen hat.
Erziehung ist ein soziales Handeln, welches bestimmte Lernprozesse bewusst und absichtlich herbeiführen und unterstützen will, um relativ dauerhafte Veränderungen des Verhaltens, die bestimmten Erziehungszielen entsprechen, zu erreichen.“
„In der Geschichte der Pädagogik sind immer wieder Versuche unternommen worden den Begriff Erziehung ebenso wie den davon schwierig abzugrenzenden Begriff Bildung definitorisch zu erfassen. Eine allgemein anerkannte Festlegung konnte indes nicht erzielt werden. Als Kennzeichen von Erziehung werden u.a. genannt:
1. Erziehung versucht, die psychische Struktur des zu Erziehenden zu verändern. Hierzu bedient sie sich bestimmter Handlungen und Erziehungsmittel.
2. Diese Veränderung soll so ablaufen, dass bereits vorhandene, als positiv eingestufte Verhaltensweisen unter Dispositionen des zu Erziehenden unangetastet bleiben.
3. Erziehung versucht die Entstehung negativ eingeschätzter Verhaltensweisen und Dispositionen zu verhindern. Dabei sollte
4. nicht vergessen werden, dass sich auch der Erzieher im Erziehungsprozess verändert.
• Die Vorstellungen und Wünsche, die erzieherisches Handeln anleiten, sind geschichtlich, gesellschaftlich, kulturell und schichtspezifisch bedingt. Deshalb erscheint die Annahme absoluter, zeitübergreifend gültiger erzieherischer Normen als fragwürdig. Erziehung geschieht zwischen prinzipiell gleichberechtigten Individuen. Daraus folgt, dass man diese nicht auf eine bloße Mittel- Zweckbeziehung reduzieren darf, der der Erziehende (der Edukand) durch Wahl entsprechender Mittel die von ihm festgesetzten Ziele zu verwirklichen trachtet. Hierbei wird die Persönlichkeit des zu Erziehenden grob missachtet. Erziehung sollte vielmehr so geschehen, dass sie – zumindest prinzipiell – die Zustimmung des Erziehenden finden kann.“
„Wesentliche Merkmale von Erziehung
• Erziehung ist ein soziales Handeln, in welchem Erzieher und Edukand wechselseitig auf einander reagieren, sich gegenseitig beeinflussen und steuern sowie Informationen austauschen.
• In diesem erzieherischen Handeln will der Erzieher bewusst und absichtlich beim zu Erziehenden bestimmte Lernprozesse herbeiführen und unterstützen. Diese Lernprozesse muss der zu Erziehende vollbringen.
• Erziehung ist immer zielgerichtet: Der Erzieher strebt mit zielgerichteten Handlungen dauerhafte Veränderungen des Verhaltens beim zu Erziehenden an, die bestimmten Erziehungszielen entsprechen.
• Die wechselseitige Beziehung zwischen Erzieher und Edukanden ist durch eine besonders zwischenmenschliche und persönliche Beziehung gekennzeichnet. Von der Art und Weise wie sich die persönliche Beziehung gestaltet, hängt in einem erheblichen Maße der Erfolg der Erziehung ab.“
Arbeitsaufgabe 3: Formulieren Sie unter Berücksichtigung der oben ausgeführten Aspekte eine eigene Definition des Begriffs Erziehung bzw. Erziehen.
Arbeitsaufgabe 3 b:
Vergleichen Sie erst anschließend Ihre Definition mit der folgenden Definition. Welche Unterschiede sehen Sie?
Versuch einer Definition bzw. eines Merksatzes: „Erziehen bezeichnet eine soziale Interaktion zwischen Menschen, in der ein oder mehrere Erzieher bzw. Erzieherinnen im Idealfall planvoll und zielgerichtet versuchen, bei dem zu Erziehenden unter Berücksichtigung seiner menschlichen Eigenart ein erwünschtes Verhalten zu entfalten oder zu verstärken. Ziel ist die Anpassung an die gültigen sozialen Normen (Verhaltenserwartungen), aber auch die Entwicklung einer kritischen Haltung diesen gegenüber. Die geplanten und gesteuerten Erziehungsprozesse sind einbezogen in die Gesamtheit weiterer Einflüsse der Umwelt auf den zu Erziehenden. Erzwungene Anpassung bzw. Gehorsam führt nicht zu echter freier Menschenbildung, sondern entweder zu Autoritätsgebundenheit oder zu einer blinden Protesthaltung (= “ist ja doch alles nur Scheiße“)
Arbeitsaufgabe 4: Nachdem Sie sich einen Überblick über die oben dargestellten Definitionen verschafft haben, erstellen Sie nun eine Tabelle, in der Sie in der linken Spalte die jeweiligen Autoren bzw. Quellen auflisten und in die rechte Spalte die jeweiligen Kernaussagen der Definitionen eintragen. Ziel dieser Tabelle ist es die einzelnen Aussagen zu vergleichen und in Beziehung zu einander zu setzen. Welche Aussagen sind identisch, ähnlich oder stehen im Gegensatz zu einander? Formulieren Sie zusätzlich einige erklärende Sätze.
Weitere Begriffe im Zusammenhang mit der Erziehung
Wenn man sich mit dem Begriff Erziehung beschäftigt kommt man nicht umhin auch die Begriffe Erziehungsziele, Erziehungsmittel, Erziehungsmethoden und Erziehungsstile zu erklären. Folgende Ausführungen sollen diesem Ziele dienen:
Erziehungsziele
Da wir in den o.g. Definitionen gelernt haben, dass Erziehung planvoll und zielorientiert ist, gehört es dazu, dass der Erzieher bzw. die Erzieherin Erziehungsziele für den Erziehungsprozess formulieren und mit zunehmender Reife des Kindes, bzw. des Edukanden, gemeinsam festlegen.
Definition 1: Erziehungsziele sind von Eltern bzw. anderen pädagogischen Fachkräften geplante Denk- u. Verhaltensweisen, die der Edukand sich aneignen soll.
Definition 2: "Unter einem Erziehungsziel wird eine Norm verstanden, die eine für den Edukanden als Ideal gesetzte psychische Disposition (oder ein Dispositionsgefüge) beschreibt und vom Erzieher fordert, er solle so handeln, dass der Edukand befähigt wird, dieses Ideal so weit wie möglich zu erreichen.
Beispiel: Ein Vater möchte, dass seine 17-jährige Tochter regelmäßig und diszipliniert für die Schule arbeitet.
Es geht also darum, dass die Erziehung von Kindern und Jugendlichen oder auch Menschen nicht zufällig geschieht, sondern aufgrund allgemein gültiger, erstrebenswerter Ziele.
Ähnlich wie ein Stuhl oder ein anderes Möbelteil nicht zufällig entsteht, sondern aufgrund einer klaren Planung und einem strategischen Vorgehen mittels Säge, Bohrmaschine, Schraubendreher usw., geschieht auch Erziehung, wenn sie von professionell ausgebildeten Fachkräften initiiert wird, nicht zufällig, sondern planvoll.
„Wer erzieherisch handelt, will dabei bestimmte Ziele verwirklichen. Damit gewinnt der Problemkreis der Ziele der Erziehung für die Erziehungswissenschaft und die praktische Pädagogik eine zentrale Bedeutung. Ein Erziehungsziel kann als die Beschreibung einer für den zu Erziehenden als Ideal gesetzten psychischen Disposition (oder eines Dispositionsgefüges) verstanden werden. Vom Erzieher oder Erzieherin wird gefordert, er solle so handeln, dass der zu Erziehende befähigt wird, dieses Ideal soweit wie möglich zu verwirklichen. Neben dem Terminus Erziehungsziele sind viele bedeutungsähnliche Wörter gebräuchlich, wie z. B. Bildungsziel, Bildungsaufgabe, usw. Es gibt übergeordnete grundlegende Erziehungsziele wie Selbstständigkeit, demokratisches Denken, kollegiales Verhalten, Freundlichkeit usw. Aber es gibt auch einzelne kleinere Erziehungsziele wie das folgende Beispiel zeigt:
Der Vater und die Tomatenpflanzen
Ein Vater erinnerte sich daran, dass er in seiner Jugend und Kindheit zu Hause regelmäßig den Anbau von Gemüse und Obst beobachten konnte. Seine Eltern hatten einen Garten und er war immer wieder daran beteiligt, Unkraut zu jäten und Pflanzen zu pflegen. Obwohl er damals als Kind das Unkraut jäten hasste, konnte er nun als erwachsener Mann sich dankbar besinnen, dass er sehr wohl wusste wie eine Tomatenpflanze aussieht, Möhren, Bohnen usw. Inzwischen selbst Vater geworden, wollte er dieses Wissen auch seiner Tochter weitergeben. Obwohl er keinen Garten hatte, versuchte er von Jahr zu Jahr in einem großen Blumenkasten verschiedene Gemüsesorten zu züchten.
Der Vater formuliert sein Erziehungsziel wie folgt: „Meine Tochter soll eine gewisse Beziehung und eine gewisse Ahnung bekommen, dass Tomaten, Melonen und andere Pflanzen nicht aus einer Maschine kommen, sondern wachsen. Sie soll den Wachstumsprozess beobachten und teilweise auch daran beteiligt sein. Er bat seine Tochter, regelmäßig die Tomatenpflanzen in dem Blumentopf zu gießen und so konnte sie über Wochen beobachten, wie eine ganz kleine Pflanze (Keimling) zu einer großen Pflanze heranwuchs mit mehreren roten Früchten.“
Sehr bewusst wurde das Pflücken gemeinsam durchgeführt und natürlich bat er seine 12jährige Tochter die Tomaten mit ihm zu waschen, zu schneiden und auf das Brot zu legen und gut gewürzt zu essen.
Arbeitsaufgabe 5: Nennen, erklären und erörtern Sie – alleine oder mit einem Arbeitspartner- mehrere Erziehungsziele Orientieren Sie sich dabei an das folgende Schaubild und an eigenen Vorstellungen.
Arbeitsaufgabe 6: Versuchen Sie sich an Ihre Kindheit zu erinnern und überlegen Sie sich einen Beispiele, wo Erziehende (Eltern, Lehrer, Erzieher usw.) gemäß ganz bestimmten Erziehungszielen mit Ihnen gearbeitet haben. Notieren Sie sich nach Möglichkeit mindestens zwei solcher Erziehungsziele und beschreiben Sie, wie die Erzieher oder die Erziehenden diese Erziehungsziele versucht haben zu verwirklichen. Bewerten Sie diese Ziele.
Erziehungsmittel/Erziehungsmethoden
Damit Erziehungsziele erreicht werden, müssen ganz bestimmte Handlungen und Vorgehensweisen des Erziehers bzw. der Erzieherin vorgenommen werden. Die Wahl der Erziehungsmittel bzw. Erziehungsmethode steht im Zusammenhang mit den Erziehungszielen, aber auch den Eigenschaften, Fähigkeiten und Dispositionen des Edukanden. Ein sehr ruhiger, zurückgezogener Edukand wird anders angesprochen als ein sehr extrovertierter und grenzensuchender Edukand. Erziehungsmittel sind einzelne Handlungen wie Auffordern, Belohnen, Loben, Strafen usw..
Definition: Erziehungsmittel sind alle Maßnahmen, die ein Erziehender ergreift, um beim zu Erziehenden erwünschte Wirkungen hervorzurufen
Beispiele: für Erziehungsmittel sind unter anderem Appell, Ermahnungen, Befehl, Lob, Tadel, Beispiel geben, Schreien, Einladen usw.
Es ist wichtig, dass Mittel zur Erziehung nicht bloß wie ein Werkzeug einfach benutzt werden, sondern es muss immer daran gedacht werden, dass der zu Erziehende eine eigenständige Person nicht nur mit Pflichten, sondern auch mit Rechten ist. Erziehungsmittel sind so auszuwählen, dass die Persönlichkeit des zu Erziehenden respektiert wird und ein größtmöglicher Freiraum gegeben wird, selbständig zu wählen und sich zu entscheiden. Daher wäre es vielleicht notwendig oder besser von Erziehungshilfen und Maßnahmen zu sprechen.
Arbeitsaufgabe 7: Ein vierjähriges Kind schreit und schimpft während Sie mit ihm einkaufen und vor der Kasse beim Supermarkt in der Schlange warten. Das Kind möchte Schokolade haben und Sie sagen Nein. Das Kind schreit und brüllt den gesamten Supermarkt zusammen. Frage: Erläutern Sie welches Erziehungsziel und welche Erziehungsmittel in dieser Situation Ihrer Meinung nach richtig sind.
Erziehungsmethode
Eine Kombination von Erziehungsmitteln in einem sachlogischen Zusammenhang gestellt ergeben dann eine Erziehungsmethode. So kann es sein, dass der Vater, der oben schon genannt wurde seine 17-Jährige Tochter zum regelmäßigen Arbeiten dadurch bringt, in dem er Belohnungen verspricht, aber auch seine Stimme erhebt, wenn ohne sein agieren nur große Faulheit zelebriert werden würde.
Erziehungsstile
Definition 1: Erziehungsstile sind typische, charakteristische und sich wiederholende Arten und Weisen zu erziehen.. Erziehungsstile bestehen aus Erziehungshandlungen, die sich typischerweise wiederholen und somit zu klassifizieren sind.
Definition 2: Der Begriff Erziehungsstil meint einen verhältnismäßig stabilen Typ erzieherischen Verhaltens. Es existieren unterschiedliche Typisierungsversuche, so wird beispielsweise ein autoritärer von einem demokratischen und einem Laissez -faire-Erziehungsstil unterschieden:
Ein autoritärer Erziehungsstil ist durch häufiges Anordnen, unterbrechendes Befehlen, nicht konstruktive Kritik, häufiges Zurechtweisen und Tadeln sowie durch seltenes Gewähren von Entscheidungsmöglichkeiten gekennzeichnet. Im Unterschied zu dem Laissez-faire-Erziehungsstil, bei dem Erzieher, ohne konstruktiv zu sein ein Kind im wesentlichen sich selbst überlassen, ist ein demokratischer und sozial-integrativer Erziehungsstil durch folgende Charakteristika geprägt: Spontane Aktivitäten der Kinder werden gebilligt; Selbständigkeit und Eigenaktivitäten werden nicht nur toleriert, sondern darüber hinaus auch angeregt; Sympathie, Beifall und Lob werden deutlich und häufig – wenn angebracht – geäußert; Hilfen bei Problemen – auch bei der Formulierung eigener Gedanken der Kinder – werden häufig angeboten.
Im Folgenden sind oben genannte Erziehungsstile konkreter beschrieben.
Autokratischer/ bzw. diktatorische Erziehungsstil
Dieser Erziehungsstil zeichnet sich durch folgende Aspekte aus:
Der Erzieher/Erzieherin bestimmt alles selbst. Er bestimmt wie
gearbeitet oder gespielt wird. Zum autokratischen Erziehungsstil gehört es, dass der Erzieher Aufgaben verteilt und alles klar und deutlich einteilt, wie Kinder spielen und arbeiten sollen.
Demokratischer Erziehungsstil
Bei einem demokratischen Erziehungsstil eines Erziehers bilden sich Kleingruppen weitgehendes selbst. Die Verteilung der Aufgaben erfolgt innerhalb der Gruppen. Der Gruppenführer beteiligt sich an den Gruppenarbeiten, ohne diese zu übernehmen. Er fördert Entscheidungsprozesse der Kleingruppen und äußert Lob und Kritik möglichst objektiv.
Der Laissez-faire-Erziehungsstil
Die Kleingruppen tun weitgehend, was sie wollen. Der Gruppenleiter hält sich möglichst heraus. Er stellt nur sein Wissen und das Material zur Verfügung. Er beteiligt sich nicht an Diskussionen in den Kleingruppen und er versucht nicht den Verlauf der Arbeiten in irgendeiner Weise zu beeinflussen.
Arbeitsaufgabe 8: Welchen Erziehungsstil würden Sie in einer altersgemischten Wohngruppe bevorzugen? Begründen Sie!
Kurt Lewin hat in den 30er Jahren Untersuchungen vorgenommen, die die Auswirkungen von verschiedenen Erziehungsstilen auf die Kinder beschreiben sollten.
Die drei Grundformen, die Kurt Lewin untersucht hat waren der autoritär-diktatorische Erziehungsstil. Hierbei bestimmt der Erzieher/die Erzieherin massiv die Vorgehensweise und die Handlung des Edukanden. Ein demokratisches Gespräch, oder überhaupt ein Hinhören bezüglich der Interessen und Willensbekundungen des Kindes sind hier nicht gefragt.
• Der antiautoritäre Erziehungsstil. Der Erzieher nimmt sich hier weitestgehend zurück lässt die Kinder gewähren so wie sie es möchten und steht bestenfalls als Erzieher im Hintergrund.
• Der freundlich, unterstützende – demokratische Erziehungsstil. Hier geht es darum, dass der Erzieher bzw. die Erzieherin in einer freundlichen Beziehung zum Edukanden tritt und gemeinsam Erziehungsziele formuliert werden, der Wille des Kindes soweit wie möglich berücksichtigt wird, aber gleichzeitig auch Erziehungsziele angestrebt werden.
Wenn es darum geht Erziehungssituationen zu analysieren und sie dem jeweiligen Erziehungsstil zuzuordnen ist es wichtig daran zu denken, dass die o.g. drei Erziehungsstile, die von Kurt Lewin untersucht wurden, lediglich Grundformen der Erziehungsstile sind. Es ist durchaus möglich, dass Mischformen zwischen diesen einzelnen Stilen in der Erziehungspraxis zu finden sind. So ist es denkbar, dass ein freundlich unterstützender, autoritärer Lehrer versucht das Bestmögliche für seine Schüler und Schülerinnen zu erreichen.
Ein Überblick über verschiedene Erziehungsstile soll das folgende Schaubild geben
Erziehungstil Zuneigung Lenkung
Demokratischer
liebevoll unterstützend
Übermäßig behütender
(overprotection) beschützend/
verwöhnend
stark
Autoritärer zurückweisend stark
Gleichgültiger
laissez-faire) zurückweisend uninteressiert
Inkonsistenter
zuwendend &
abweisend stark &
keine
Liebevoller
(autoretativer) liebevoll durchsetzend
Auswirkungen der Erziehungsstile
Vom besonderen theoretischen sowie praktischem Interesse ist auch die Frage, welche Erziehungseffekte sich aufgrund unterschiedlicher Erziehungsstile ergeben; zum anderen versucht man aufzuklären, welche Faktoren für die Ausbildung unterschiedlicher Erziehungsstile ursächlich sind.
Schon oben wurde darauf hingewiesen, dass ein demokratischer Erziehungsstil zu großer Flexibilität und Spontaneität von Jugendlichen, zu geringeren Spannungen in der Gruppe und zu weniger Unzufriedenheit insgesamt führen.
Der demokratische Erziehungsstil trägt anscheinend zu einer angemessen pädagogischen Atmosphäre mit größerer gegenseitiger Anerkennung und einem geringen Wunsch nach Dominanz über andere sowie zu einem herabgesetzten Widerstand gegen Bestrebungen des Erziehers bei.
Das Erziehungsverhalten scheint unter anderem von der Persönlichkeit des Erziehers und von den jeweils gültigen soziokulturellen Normen sowie von den jeweiligen Situationen abhängig zu sein. Derzeit wird versucht Methoden für das Training erzieherischen Verhaltens zu entwickeln und einzusetzen. Hierbei reicht allerdings die bloße Bereitstellung von Literatur nicht aus, sondern das Üben und das anschließende kritische Beleuchten des Erzieherverhaltens sind hierzu besonders in Berufsausbildungen für Erzieher usw. notwendig.