Thema: Erziehung – Was ist das eigentlich?
Fach: Erziehungswissenschaft
Lehrer: Herr Jung

L Abgesehen von wenigen anarchistischen Menschenbildern ist sich die Pädagogik einig, dass der Mensch erziehungsbedürftig ist. Ganz bestimmte Fähigkeiten, Fertigkeiten und Wissen sind notwendig damit Menschen, egal in welcher Gesellschaft, leben und sich entfalten können.

 Der Begriff Erziehung ist im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte verschiedenen Veränderungen unterlegen. Bestimmte gesellschaftliche Ideale und politische Vorstellungen, aber auch Moden haben sich in die jeweiligen Erziehungsstile und Erziehungsziele deutlich gemacht.

Arbeitsaufgabe: Lesen und erarbeiten Sie sich in Einzelarbeit folgende Definitionen:

 „... können wir die Erziehung definieren als die fürsorgende, führende und bildende Einwirkung gereifter Menschen auf die Entwicklung werdender (Menschen), um diesen an die Lebensgemeinschaften begründeten Gütern Anteil zu geben. Die erzieherische Einwirkung der Gereiften auf die Jugend hat Einwirkungen auf das gesamte Leben, diese Einwirkungen sollen dieses Leben fördern und schlechte Eigenschaften teilweise ersetzen und teilweise beeinträchtigen.“

 „... es sei denn unter Erziehung „Handlungen zu verstehen, die in der Absicht erfolgen (oder: die den Zweck haben), in anderen Menschen gemäß für sie gesetzten Normen (Sollensforderungen, Idealen, Zielen) psychische Dispositionen (= Empfänglichkeiten) hervorzubringen, zu fördern, zu ändern, abzubauen oder zu erhalten.“

 „Erziehen bezeichnet eine soziale Interaktion zwischen Menschen, in der ein oder mehrere Erzieher bzw. Erzieherinnen im Idealfall planvoll und zielgerichtet versuchen, bei dem zu Erziehenden unter Berücksichtigung seiner menschlichen Eigenart ein erwünschtes Verhalten zu entfalten oder zu verstärken.

 Ziel ist die Anpassung an die gültigen sozialen Normen (Verhaltenserwartungen), aber auch die Entwicklung einer kritischen Haltung diesen gegenüber.

Die geplanten und gesteuerten Erziehungsprozesse sind einbezogen in die Gesamtheit weiterer Einflüsse der Umwelt auf den zu Erziehenden. Erzwungene Anpassung bzw. Gehorsam führt nicht zu echter freier Menschenbildung, sondern entweder zu Autoritätsgebundenheit oder zu einer blinden Protesthaltung (= “ist ja doch alles nur Scheiße“)

Erziehung:

In der Geschichte der Pädagogik sind immer wieder Versuche unternommen worden, den Begriff Erziehung ebenso wie den davon schwierig abzugrenzenden Begriff Bildung – definitorisch zu fassen. Eine allgemein anerkannte Festlegung konnte jedoch nicht erzielt werden. Als Kennzeichen von Erziehung werden u.a. genannt: Erziehung versucht, die psychische Struktur des zu Erziehenden zu verändern. Hierzu bedient sie sich bestimmter Handlungen und Erziehungsmittel. Diese Veränderung soll so geschehen, dass bereits vorhandene, als positiv eingestufte Verhaltensweisen und Dispositionen des zu Erziehenden unangetastet bleiben (Das Rückgrat soll nicht gebrochen werden).

Erziehung versucht die Entstehung negativ eingeschätzter Verhaltenweisen und Dispositionen zu verhindern. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass sich auch der Erzieher oder die Erzieherin im Erziehungsprozess verändern. Die Vorstellungen und Wünsche, die erzieherischen Handeln anleiten sind geschichtlich, gesellschaftlich und schichtspezifisch bedingt. Deshalb erscheint die Annahme absoluter, zeitübergreifend gültiger erzieherischer Normen als fragwürdig. Erziehung geschieht zwischen prinzipiell gleichberechtigten Individuen. Daraus folgt, dass man diese nicht auf eine bloße Mittel-Zweck-Beziehung reduzieren darf, in der der Erziehende durch Wahl entsprechender Mittel die von ihm festgesetzten Ziele zu verwirklichen trachtet. Hierbei wird die Persönlichkeit des zu Erziehenden grob missachtet.

Erziehung sollte vielmehr so geschehen, dass sie – zumindest prinzipiell – die Zustimmung des Erziehenden finden kann (soweit wie möglich).

 In der Geschichte gab es immer wieder pädagogische Ansätze, die von der vollkommenen Formbarkeit ausgingen und die darin die Berechtigung sahen, Erziehung als Mittel zur Ereichung von Zielen einzusetzen, die vollkommen unabhängig von den Bedürfnissen und Wünschen des zu erziehenden festgelegt werden. Solche Auffassungen treten häufig im Rahmen totalitärer politischer Systeme auf.“

 Bei umfangreichen Einzeluntersuchungen ergab sich, dass erzieherische Mittel wie Böse werden, Schimpfen, Schläge, Ohrfeigen zur Verbotsorientierung, eine negative Auswirkung auf die Entwicklung haben.

Daher  ist es sehr wichtig, dass die Begriffe Erziehungsstil, Erziehungsmittel und Erziehungsziel in ihrer Bedeutung bewusst werden und mit eigenen, klar definierten Strategien gefüllt werden.

Definition zum Begriff "Erziehung" (bitte für die Klausur sinngemäß auswendig lernen):

Erziehungsziele 

Es geht also darum, dass die Erziehung von Kindern und Jugendlichen oder auch behinderten Menschen nicht zufällig geschieht, sondern aufgrund allgemein gültiger, erstrebenswerter Ziele. Ähnlich wie ein Stuhl oder ein anderes Möbelteil nicht zufällig entsteht, sondern aufgrund einer klaren Planung und einem strategischen Vorgehen mittels Säge, Bohrmaschine, Schraubendreher usw., geschieht auch Erziehung, wenn sie von professionell ausgebildeten Fachkräften initiiert wird, nicht zufällig, sondern planvoll.

 „Wer erzieherisch handelt, will dabei bestimmte Ziele verwirklichen. Damit gewinnt der Problemkreis der Ziele der Erziehung für die Erziehungswissenschaft und die praktische Pädagogik eine zentrale Bedeutung. Ein Erziehungsziel kann als die Beschreibung einer für den zu Erziehenden als Ideal gesetzten psychischen Disposition (oder eines Dispositionsgefüges) verstanden werden. Vom Erzieher oder Erzieherin wird gefordert, er solle so handeln, dass der zu Erziehende befähigt wird, dieses Ideal soweit wie möglich zu verwirklichen.

Neben dem Terminus Erziehungsziele sind viele bedeutungsähnliche Wörter gebräuchlich, wie z. B. Bildungsziel, Bildungsaufgabe, usw. Es gibt übergeordnete grundlegende Erziehungsziele wie Selbstständigkeit, demokratisches Denken, kollegiales Verhalten, Freundlichkeit usw.

Aber es gibt auch einzelne kleinere Erziehungsziele wie das folgende Beispiel zeigt:

Der Vater und die Tomatenpflanzen

Ein Vater erinnerte sich daran, dass er in seiner Jugend und Kindheit zu Hause regelmäßig den Anbau von Gemüse und Obst beobachten konnte. Seine Eltern hatten einen Garten und er war immer wieder daran beteiligt, Unkraut zu jäten und Pflanzen zu pflegen. Obwohl er damals als Kind das Unkraut jäten hasste, konnte er nun als erwachsener Mann sich dankbar besinnen, dass er sehr wohl wusste wie eine Tomatenpflanze aussieht, Möhren, Bohnen usw. Inzwischen selbst Vater geworden, wollte er dieses Wissen auch seiner Tochter weitergeben. Obwohl er keinen Garten hatte, versuchte er von Jahr zu Jahr in einem großen Blumenkasten verschiedene Gemüsesorten zu züchten. Das Erziehungsziel lautete: Meine Tochter soll eine gewisse Beziehung und eine gewisse Ahnung bekommen, dass Tomaten, Melonen und andere Pflanzen nicht aus einer Maschine kommen, sondern wachsen. Sie soll den Wachstumsprozess beobachten und teilweise auch daran beteiligt sein. Er bat seine Tochter, regelmäßig die Tomatenpflanzen in dem Blumentopf zu gießen und so konnte sie über Wochen beobachten, wie eine ganz kleine Pflanze (Keimling) zu einer großen Pflanze heranwuchs mit mehreren roten Früchten. Sehr bewusst wurde das Pflücken gemeinsam initiiert und natürlich bat er seine 12jährige Tochter die Tomaten mit ihm zu waschen, zu schneiden und auf das Brot zu legen und gut gewürzt zu essen.

Arbeitsaufgabe: Versuchen Sie sich an Ihre Kindheit zu erinnern und überlegen Sie sich einen Bereich, wo Sie Erziehende (Eltern, Lehrer, Erzieher usw.) gemäß ganz bestimmten Erziehungszielen mit Ihnen gearbeitet haben.

 Notieren Sie sich nach Möglichkeit mindestens zwei solcher Erziehungsziele und beschreiben Sie, wie die Erzieher oder die Erziehenden diese Erziehungsziele versucht haben zu verwirklichen.

Erziehungsmittel

Erziehungsmittel sind alle Maßnahmen, die ein Erziehender ergreift, um beim zu Erziehenden erwünschte Wirkungen hervorzurufen. Beispiel für Erziehungsmittel sind unter anderem Appell, Ermahnungen, Befehl, Lob, Tadel, Beispiel geben, Schreien, Einladen usw. Es ist wichtig, das Mittel zur Erziehung nicht bloß wie ein Werkzeug einfach benutzt werden, sondern es muss immer daran gedacht werden, dass der zu Erziehende eine eigenständige Person nicht nur mit Pflichten, sondern auch mit Rechten ist. Erziehungsmittel sind so auszuwählen, dass die Persönlichkeit des zu Erziehenden respektiert wird und ein größtmöglicher Freiraum gegeben wird, selbständig zu wählen und sich zu entscheiden. Daher wäre es vielleicht notwendig oder besser von Erziehungshilfen und Maßnahmen zu sprechen.

Arbeitsaufgabe: Ein vierjähriges Kind schreit und schimpft während Sie mit ihm Einkaufen sind und vor der Kasse beim Supermarkt in der Schlange warten. Das Kind möchte Schokolade haben und Sie sagen Nein. Das Kind schreit und brüllt den gesamten Supermarkt zusammen.

 Frage: Welches Erziehungsziel und welche Erziehungsmittel sind in dieser Situation für Sie richtig? Begründen Sie Ihre Ausführungen.

Erziehungsstil

Definition 1: Erziehungsstile sind typische, charakteristische und sich wiederholende Arten und Weisen zu erziehen.. Erziehungsstile bestehen aus Erziehungshandlungen, die sich typischerweise wiederholen und somit zu klassifizieren sind.

Definition 2: Der Begriff Erziehungsstil meint einen verhältnismäßig stabilen Typ erzieherischen Verhaltens. Es existieren unterschiedliche Typisierungsversuche, so wird beispielsweise ein autoritärer von einem demokratischen und einem Laissez -faire-Erziehungsstil unterschieden: 
 
 

Der Begriff Erziehungsstil meint einen verhältnismäßig stabilen Typ erzieherischen Verhaltens. Es existieren unterschiedliche Typisierungsversuche, so wird beispielsweise ein autoritärer von einem demokratischen und einem Laissez-faire-Erziehungsstil unterschieden:

Ein autoritärer Erziehungsstil ist durch häufiges Anordnen, unterbrechendes Befehlen, nicht konstruktive Kritik, häufiges Zurechtweisen und Tadeln sowie durch seltenes Gewähren von Entscheidungsmöglichkeiten gekennzeichnet.

Demokratischer Erziehungsstil

Im Unterschied zu dem Laissez-faire-Erziehungsstil, bei dem Erzieher, ohne konstruktiv zu sein ein Kind im wesentlichen sich selbst überlassen, ist ein demokratischer und sozial-integrativer Erziehungsstil durch folgende Charakteristika geprägt:

Spontane Aktivitäten der Kinder werden gebilligt; Selbständigkeit und Eigenaktivitäten werden nicht nur toleriert, sondern darüber hinaus auch angeregt; Sympathie, Beifall und Lob werden deutlich und häufig – wenn angebracht – geäußert; Hilfen bei Problemen – auch bei der Formulierung eigener Gedanken der Kinder – werden häufig angeboten. Vom besonderen theoretischen sowie praktischem Interesse ist auch die Frage, welche Erziehungseffekte sich aufgrund unterschiedlicher Erziehungsstile ergeben; zum Anderen versucht man aufzuklären, welche Faktoren für die Ausbildung unterschiedlicher Erziehungsstile ursächlich sind.

Schon oben wurde darauf hingewiesen das ein demokratischer Erziehungsstil zu großer Flexibilität und Spontaneität von Jugendlichen, zu geringeren Spannungen in der Gruppe und zu weniger Unzufriedenheit insgesamt führen.

 Der demokratische Erziehungsstil trägt anscheinend zu einer angemesseren pädagogischen Atmosphäre mit größerer gegenseitiger Anerkennung und einem geringen Wunsch nach Dominanz über andere sowie zu einem herabgesetzten Widerstand gegen Bestrebungen des Erziehers bei.

 Das Erziehungsverhalten seinerseits scheint unter anderem von der Persönlichkeit des Erziehers und von den jeweils gültigen soziokulturellen Normen sowie von situativen Bedingungen abhängig zu sein. Derzeit wird versucht Methoden für das Training erzieherischen Verhaltens zu entwickeln und einzusetzen. Hierbei reicht allerdings die bloße Bereitstellung von Bedingungswissen nicht aus, sondern das Üben und das anschließende kritische Beleuchten des Erzieherverhaltens sind hierzu besonders in entsprechenden Berufsausbildungen notwendig. Im folgenden sind oben genannte Erziehungsstile konkreter beschrieben.

Autokratischer Erziehungsstil

Dieser Erziehungsstil zeichnet sich durch folgende Aspekte aus: Der Erzieher/Erzieherin bestimmt alles selbst. Er bestimmt wie gearbeitet oder gespielt wird. Zum autokratischen Erziehungsstil gehört es, dass der Erzieher Aufgaben verteilt und alles klar und deutlich einteilt, wie Kinder spielen und arbeiten sollen. Demokratischer Erziehungsstil Bei einem demokratischen Erziehungsstil eines Erziehers bilden sich Kleingruppen weitgehendes selbst. Die Verteilung der Aufgaben erfolgt innerhalb der Gruppen. Der Gruppenführer beteiligt sich an den Gruppenarbeiten, ohne diese zu übernehmen. Er fördert Entscheidungsprozesse der Kleingruppen und äußert Lob und Kritik möglichst objektiv.

Der Laissez-faire-Erziehungsstil
Die Kleingruppen tun weitgehend, was sie wollen. Der Gruppenleiter hält sich möglichst heraus. Er stellt nur sein Wissen und das Material zur Verfügung. Er beteiligt sich nicht an Diskussionen in den Kleingruppen und er versucht nicht den Verlauf der Arbeiten in irgend einer Weise zu beeinflussen.

Kinderzeichnung zum Thema Erziehung bzw. Erziehungsstile (Werner Jung):

(C) D. Jung

 Arbeitsaufgabe: Welchen Erziehungsstil würden Sie in einer altersgemischten Wohngruppe bevorzugen? Begründen Sie!

 Quellenverzeichnis: „Erziehungsbegriffe, Brezinka, W.: 1976, S. 129
Levin, Lippit und White 1939, S. 271-299
„Lexikon der Pädagogik“, Band 1, Freiburg im Breisgau 1913
MEIERS Großes Taschenlexikon, 1992, Band VI, S. 219
Schülerduden: Die Pädagogik, Mannheim 1989

Kurt Lewin hat in den 30er Jahren Untersuchungen vorgenommen, die die Auswirkungen von verschiedenen Erziehungsstilen auf die Kinder beschreiben sollten. Die drei Grundformen, die Kurt Lewin untersucht hat waren der autoritär-diktatorische Erziehungsstil. Hierbei bestimmt der Erzieher/die Erzieherin massiv die Vorgehensweise und die Handlung des Edukanden. Ein demokratisches Gespräch, oder überhaupt ein Hinhören bezüglich der Interessen und Willensbekundungen des Kindes sind hier nicht gefragt.

 • Der antiautoritäre Erziehungsstil.

Der Erzieher nimmt sich hier weitestgehend zurück lässt die Kinder gewähren so wie sie es möchten und steht bestenfalls als Erzieher im Hintergrund. • Der freundlich, unterstützende – demokratische Erziehungsstil. Hier geht es darum, dass der Erzieher bzw. die Erzieherin in einer freundlichen Beziehung zum Edukanden tritt und gemeinsam Erziehungsziele formuliert werden, der Wille des Kindes soweit wie möglich berücksichtigt wird, aber gleichzeitig auch Erziehungsziele angestrebt werden.

Wenn es darum geht Erziehungssituationen zu analysieren und sie dem jeweiligen Erziehungsstil zuzuordnen ist es wichtig daran zu denken, dass die o.g. drei Erziehungsstile, die von Kurt Lewin untersucht wurden, lediglich Grundformen der Erziehungsstile sind. Es ist durchaus möglich, dass Mischformen zwischen diesen einzelnen Stilen in der Erziehungspraxis zu finden sind. So ist es denkbar, dass ein freundlich unterstützender, autoritärer Lehrer versucht das Bestmögliche für seine Schüler und Schülerinnen zu erreichen.

Definition bzw. eines Merksatzes:

„Erziehen bezeichnet eine soziale Interaktion zwischen Menschen, in der ein oder mehrere Erzieher bzw. Erzieherinnen im Idealfall planvoll und zielgerichtet versuchen, bei dem zu Erziehenden unter Berücksichtigung seiner menschlichen Eigenart ein erwünschtes Verhalten zu entfalten oder zu verstärken.

 Ziel ist die Anpassung an die gültigen sozialen Normen (Verhaltenserwartungen), aber auch die Entwicklung einer kritischen Haltung diesen gegenüber. Die geplanten und gesteuerten Erziehungsprozesse sind einbezogen in die Gesamtheit weiterer Einflüsse der Umwelt auf den zu Erziehenden.

 Erzwungene Anpassung bzw. Gehorsam führt nicht zu echter freier Menschenbildung, sondern entweder zu Autoritätsgebundenheit oder zu einer blinden Protesthaltung ".