Die psycho-soziale Entwicklung nach Erikson

Lektion: 12.2.2 Grundannahmen zur Identitätsentwicklung als Basis für erzieherisches Handeln

12.2.2.1 Entwicklungsaufgaben in unterschiedlichen Lebensphasen (Jugend und Kindes-, sowie des Erwachsenenalters – nach Erik H. Erikson)


Erik H. Erikson – Tiefenpsychologe der dritten Generation

Der amerikanische Psychologe Erik Homburger Erikson war deutscher Herkunft und wurde am 15.06.1902 in Frankfurt am Main geboren und am 12.05.1994 in Harwich (Massachusetts) gestorben. Er wanderte 1933 verfolgt durch das NS-Regime in die USA aus. Er wurde Professor in verschiedenen amerikanischen Universitäten, u.a. auch an der Harvard University. Dort wurde er einer der führenden Vertreter der Jugendpsychologie.
Dies ist umso erstaunlicher, als Erikson selber nie eine akademische Ausbildung und einen derartigen Abschluss absolvierte. Er war äußerst erfolgreich und forschte bei den Sioux-Indianern und studierte das Leben eines indianischen Fischerstammes.



Er zog innerhalb der USA sehr oft um und wurde daher oft mit fremden Kulturen konfrontiert. Manche Kritiker vermuten daher Eriksons besondere Affinität mit dem Thema "Ich-Identität".


Obwohl er stark durch Sigmund Freuds Psychoanalyse beeinflusst war, wuchs er doch in vielen Punkten über die traditionelle Psychoanalyse hinaus. Einer der größten Unterschiede zu Freud besteht darin, dass Erikson nicht davon ausgeht, dass die Libido die nahezu einzig treibende Kraft, also der Haupttrieb, des Menschseins sei.
Erikson relativiert die Bedeutung der Libido und hebt die Entwicklung der Ich-Identität durch das erfolgreiche Durchleben von Krisen hervor. In seinem Werk „Kindheit und Gesellschaft“ stellt Erikson sein neues Modell von acht Phasen der seelischen Entwicklung dar. Er verändert das einfache Freud- Schema der oralen, analen, phallischen und ödipalen Phase der Libidoorganisation in ein differenziertes und tiefgründiges Modell einzelner Reifungsschritte, die das ganze Leben begleiten.


Klärung einiger Grundbegriffe in dem Modell von Erikson

Krise
In der Umgangssprache wird der Begriff Krise als etwas Negatives und zu Vermeidendes angesehen.. Erikson definiert den Begriff Krise als eine Lebensphase, die durch problematische Herausforderungen geprägt sind. Das erfolgreiche Bestehen und Durchleben dieser Krise entscheidet, ob eine Weiterentwicklung oder ein Stehen bleiben, bzw. eine Rückentwicklung geschieht. In diesem Zusammenhang spricht Erikson auch von einer Identitätskrise. Es ist die Phase, in der Veränderungen innere Konflikte, Ängste und Unsicherheiten verursachen. Besonders in der Phase der Adoleszenz stehen Jugendliche vor der Herausforderung einen eigenen, spezifischen Lebensstil zu erarbeiten. Dies geschieht u.a. durch Identifikationen mit positiven Vorbildern und so genannten Modellen, mit Verhaltensweisen der Eltern, Lehrer und sonstigen Erzieher. In der Phase der Adoleszenz wird zunehmend das Autonomiebestreben deutlich. Diese Phase enthält Möglichkeiten des Wachstums und der Entwicklung und stellt somit eine Vorbedingung – laut Erikson – für eine positive Entwicklung der jugendlichen und später auch der erwachsenen Persönlichkeit. Die so genannte Ich-Identität, d.h. die Übereinstimmung der Selbsteinstufung und des Umgangs mit den eigenen Bedürfnissen und der Sicht der Umwelt, formt sich durch das positive, erfolgreiche Bestehen der Identitätskrise. Manche Autoren sprechen in diesem Zusammenhang auch von psycho-sozialen Krisen und meinen das Selbe.


Identität
Zu den oben bereits dargestellten Aspekten zum Begriff Identität sind folgende Ausführungen wichtig. Die Identität hat durchaus Ähnlichkeit mit dem Aspekt Selbst bzw. Selbstkonzept wie sie von Carl Rogers beschrieben wurden.
Die Identität ist das, was ein Mensch tatsächlich ist und darstellt. Dies sind folgende Aspekte:
• Der Mensch, für den man sich selbst hält;
• Der Mensch, der man gerne sein möchte;
• Der Mensch, wie man gerne werden möchte und glaubt auch werden zu können;
• Der Mensch, für den das soziale Umfeld (Eltern, Freunde, usw.) einen hält;
• Der Mensch, wie ihn andere Menschen (meist die Erzieher) einen haben möchten.
• Der Mensch, wie er aussieht und sich fühlt...

Merke: Der Begriff Identität meint die Art und Weise des Selbst als unverwechselbare und einmalige menschliche Person, geformt durch die soziale Umgebung und durch die eigenen Wünsche, Ziele und Erfahrungen.


Entwicklungsaufgaben
"Unter einer Entwicklungsaufgabe versteht man jene kulturell und gesellschaftlich vorgegebenen Erwartungen und Anforderungen, die an Personen einer bestimmten Altersgruppe gestellt werden. Sie definieren für jedes Individuum in bestimmten Lebenslagen objektiv vorgegebene Handlungsprobleme, denen es sich stellen muss. Sie fungieren auch als Bezugssysteme, innerhalb derer die personelle und soziale Identität entwickelt werden muss.
Das Konzept der Entwicklungsaufgaben wurde von Havighurst (1948) definiert und beschreibt den Lebenslauf als eine Folge von Problemen, denen sich das Individuum gegenüber sieht und die es bewältigen muss. Er geht davon aus, dass die verschiedenen Anforderungen, die in einem bestimmtem Lebensabschnitt erfüllt werden müssen, durch eine besondere Kombination von innerbiologischen, sozio-kulturellen und psychologischen Einflüssen entstehen."

1. Arbeitsaufgabe zur Selbstüberprüfung:
Erklären Sie verständlich anhand einer eigenen Zusammenfassung und anhand verschiedener Schaubilder die Begriffe: Identität, Krise und Entwicklungsaufgaben

Die Phasen des psychosozialen Entwicklungsmodell nach Erik H. Erikson
Erikson geht davon aus, dass die menschliche Entwicklung in einer festgelegten Reihenfolge stattfindet. Auf Grund angeborener Erbinformationen entwickeln „Programme“ das Weiterstreben und Wachstum der menschlichen Persönlichkeit. Auf jeder Entwicklungsstufe müssen Menschen Konflikte und Krisen, also so genannte Entwicklungsaufgaben bewältigen, die im positiven Falle das Erreichen der nächsten Entwicklungsstufe möglich machen. Wichtig dabei ist, dass auch in höheren Entwicklungsstufen die Belange und Anforderungen unterer Entwicklungsstufen auch weiterhin relevant sind. Zu bedenken ist, dass die Darstellung der folgenden acht Entwicklungsstufen dem Hintergrund der westlichen Kultur entspricht. Dadurch sind Aussagen oder Aussagemöglichkeiten für andere Kulturen nur begrenzt möglich. Die Bedeutung der folgenden Stufen für Therapie und Erziehung beziehen sich u.a. darauf, dass Erzieher und Therapeuten jeweils diagnostizieren können, wo es Entwicklungsstörungen gibt und dann entsprechend intervenieren können .

Das psychosoziale Entwicklungsmodell von Erikson im Überblick
1. Entwicklungsstufe: Ur-vertrauen versus Urmisstrauen (1. Lebensjahr)
2. Entwicklungsstufe: Autonomie versus Scham und Zweifel (2. und 3. Lebensjahr)

3. Entwicklungsstufe: Initiative versus Schuldgefühl (4. und 5. Lebensjahr)
4. Entwicklungsstufe: Leistung bzw. Werksinn versus Minderwertigkeitsgefühl
(6. Lebensjahr bis Pubertät)
5. Entwicklungsstufe: Identität versus Identitätsdiffusion bzw. Rollenkonfusion
(13. bis 20. Lebensjahr)
6. Entwicklungsstufe: Intimität und Solidarität versus Isolierung (20 bis etwa 45 Jahre)
7. Entwicklungsphase: Zeugende Fähigkeit bzw. Generativität versus Stagnation bzw. Selbstabkapselung (45 bis 65 Jahre)
8. Entwicklungsstufe: Ich-Integrität versus Verzweiflung und Ekel (65 Jahr bis Tod)

1. Entwicklungsstufe Ur-Vertrauen versus Ur-Misstrauen (1. Lebensjahr)

Erikson schreibt zu dieser Phase „auf alle Fälle trifft der menschliche Säugling schon in seinen frühesten Begegnungen auf die Hauptsächlichen Modalitäten seiner Kultur. Die einfachste und früheste Modalität ist zu bekommen,... im Sinn... des Empfangen und Annehmens dessen, was gegeben wird. Das ist einfach, wenn es funktioniert, und doch zeigt jede Störung, wie kompliziert der Prozess in Wirklichkeit ist.
Der tastende und unsichere Organismus des Neugeborenen lernt diese Modalität nur, in dem er lernt, seine Bereitschaft zu bekommen den Methoden einer Mutter anzupassen, die ihm ihrerseits erlauben wird, seine Mittel des Bekommens zu koordinieren, während sie ihre Mittel des Gebens entwickelt und koordiniert. Aber in dem es so bekommt, was gegeben wird, und in dem es lernt, jemanden dahin zu bringen, für es das zu tun, was es getan haben möchte, entwickelt das kleine Kind auch die notwendige Grundlage, um dahin zu gelangen, der Geber zu sein – das heißt, sich mit der Mutter zu identifizieren und schließlich eine gebende Person zu werden.“
Das Kind ist in seinem ersten Lebensjahr völlig hilflos und auf das fürsorgende Verhalten seiner Eltern angewiesen. Wenn alles gut funktioniert erlebt das Kind durch das „Bemuttern“ (was übrigens auch ein Vater kann), dass es nicht oder selten alleine gelassen wird, somit entsteht Urvertrauen. Für die gesunde Persönlichkeitsentwicklung ist es sehr wichtig, dass eben dieses Urvertrauen sich stärker entwickelt. Durch das Füttern und der gleichzeitigen gefühlsmäßigen Zuwendung und einer entsprechenden positiven Reizvermittlung erlebt das Kind das sich „fallen-lassen-können“. Wird das Kind alleine gelassen erlebt es den Gegenpol, nämlich das Misstrauen. Wichtig ist, dass insgesamt die vertrauensbildenden Erziehungsmittel der Eltern überwiegen.

Merksatz: Urvertrauen ist der von Erikson eingeführte Begriff für das Vertrauen, dass Kinder im 1. Lebensjahr bei positiven Modalitäten, wie familiäre Zuneigung, Liebe, Geborgenheit, besonders den ihnen zugewandten Bezugspersonen und darüber hinaus der ganzen Umwelt entwickeln. Das Urvertrauen ist die absolute Bedingung, damit Kinder weltoffen, interessiert an neuen Menschen, sozialkompetent und nach außen gewendet Beziehungen beginnen können.

Urvertrauen ist die Basis für das Entstehen eines sozialen Optimismus, der es Menschen auch in späteren Lebensjahren möglich macht Freundschaften und Partnerschaften zu begründen.

Ur-Misstrauen
Im Gegensatz zum Urvertrauen geht Erikson davon aus, dass ein ungünstiges soziales Netz, ständig wechselnde Bezugspersonen, Misshandlungen, mangelnde emotionale Zuwendung, also mangelnde Liebe, dazu führen, dass das Kind eine negative Einstellung zu sich selbst, zu anderen Menschen und seiner Umwelt entwickelt. Schüchterne, zurückhaltende, in sich gekehrte Verhaltensweisen sind die Folge, um sich vor weiteren enttäuschenden Erlebnissen zu schützen.
Motto der ersten Entwicklungsphase: Ich bin was man mir gibt, was ich an Hoffnung habe.

2. Entwicklungsstufe: Autonomie versus Scham und Zweifel
Erikson schreibt zur zweiten Entwicklungsphase bzw. Entwicklungsstadium:

2. Arbeitsaufgabe:
Üben Sie das Strukturieren von Texten, indem Sie die folgenden Originaltexte von Erikson mit Überschriften versehen.


Überschrift:
„Wie die Fähigkeiten zu krabbeln und schließlich zu stehen zu gesteigerten Selbstvertrauen verhilft, führt sie auch bald dazu, spielerisch an den Grenzen des Erlaubten zu rütteln. Wenn ich im 1. Stadium, d.h. der Säuglingszeit, die Rudimente der Hoffnung zugeschrieben habe, so betrachte ich den Willen als die im 2. Stadium, nämlich der Frühkindheit, gründende Urkraft.
Neue Errungenschaften wie zunehmende kognitive und Fortbewegungsfähigkeit und Muskelkraft und die gesteigerte Bereitschaft zum Zusammenspiel mit anderen, bereiten unter günstigen Bedingungen großes Vergnügen an der Übung der Willenskraft und daran, dass man sie bestätigen kann und darf. Dies ist demnach der ontogenetische Ursprung jener großartigen menschlichen Befassung mit einem „freien Willen“, die nach Bereichen der Selbstbehauptung sucht... doch aufrecht stehen heißt: Von allen Seiten betrachtet werden selbst von hinten, den Teil unseres Selbst, der uns selbst verborgen ist. Aber die im 2. Stadium erworbene Autonomie, nämlich das Gefühl, eine eigene Person mit einem aus Selbstbestimmung geborenen Willen und vornehmlich durch Selbstbeherrschung gezähmt zu sein, gelangt bald an ihre Grenzen, wenn wir wahr nehmen, dass wir von überlegenen Wesen beobachtet und beschimpft, ja, sogar mit Tiernamen belegt werden.
Schlimmer noch: Man kann uns beschämen, und alle können sehen, dass wir erröten. Dass wir vermeiden lernen, ausgelacht zu werden, bedeutet also, dass wir uns selbst und unsere Handlungen von außen betrachten und unseren Willen denen unterwerfen, die über uns urteilen. Aber das verlangt auch die Entwicklung jener inneren Selbstbeobachtungsinstanz, die Freud das Über-Ich genannt hat, d.h., dass buchstäblich ein Teil von uns selber über die übrigen Wache hält und uns mit abstoßenden Selbstbildern konfrontiert.

Überschrift:
Wir lernen also, auf uns selbst als unwürdig und schuldig herab zu sehen, und wir können dies mit solcher Grausamkeit tun, dass wir uns mitunter nur erleichtert fühlen, wenn wir bestraft werden. Wir könnten uns aber auch nicht in die Augen sehen, lernten wir nicht gleichzeitig, auf andere wie auf Kriechtiere herab zu schauen. Wir können dann behaupten, dass nicht wir die niedrigsten seien, sondern zu den relativ Erwählten gehören... All das kann starke Nebenbedeutungen durch die Psychosexualität „Analität“ erhalten, d.h. die Besetzung jener Körperzonen mit besonderen Ekelgefühlen, die Ausscheidungs- und Verhaltungsfunktionen haben. Was zunächst als erfreulicher Besitz empfunden wird, muss dennoch gut, auf die richtige Weise und am rechten Ort als Symbol all dessen ausgeschieden werden, was (wie die Leute sagen) schlecht riecht, schmutzig ist und giftig sein könnte. Dadurch kommt es zu einer Entfremdung des Kindes von seinen hinteren und unteren Körperregionen. Wenn es mit entblößtem Hinterteil, dass es selbst nicht sieht, aufrecht steht, erkennt das Kind, dass es sein Gesicht verlieren und eine Beschämung erleiden kann, die im schlimmsten Fall mit Exkrementenbezeichnungen und Anspielungen auf niedere Kreaturen verbunden ist. In dem es sich durch Erröten verrät, kann es Wut und Isolierung empfinden, ohne zu wissen, ob diese ihm selbst oder all jenen gelten, die ihre Urteile abgeben. Die Eltern wiederum fühlen sich gezwungen diese Spaltung zu nutzen und sie damit zu verschlimmern.“

Kernaussagen des o.g. Textes


Erikson beschreibt in diesem ausführlichen und detaillierten Text die Auswirkungen der von Sigmund Freud postulierten analen Phase, wenn die Emanzipation von der Mutter und dem Vater nicht gelingt. Im 2. und 3. Lebensjahr entwickelt sich die Motorik und die Sprache rasch vorwärts. In diesem Zusammenhang lernt das Kind zwischen Autonomie und Scham das Thema Greifen, Festhalten und Loslassen.
Erlebt das Kind in seinem Sinne erfolgreiche Situationen des Festhalten und Loslassens, so entsteht Selbstbewusstsein fundiert auf die mehr und mehr entstehende Autonomie. Erlebt das Kind jedoch „peinliche“ Situationen, so entstehen Scham und Zweifel, die besonders durch falsches elterliches Verhalten wie schimpfen über so genannte Unreinlichkeiten verstärkt werden. In diesem Zusammenhang ist der Begriff der Reinlichkeitserziehung, wie auch schon bei Freud beschrieben, sehr wichtig.

Eine erzieherische Überstrenge würde dafür sorgen, dass die Loslösung und Selbstständigwerdung des Kindes nicht gelingt. Diese altersgemäße Unabhängigkeit von den Bezugspersonen bzw. das Ergebnis dieses Strebens wird von Erikson als anzustrebende, erfolgreiche Autonomie bezeichnet. Beispiel: In dieser Lebensphase kann beobachtet werden, wie ein Kind scheinbar egoistisch seine Spielsachen für sich behalten will, bzw. scheinbar rücksichtslos anderen Kindern wegreißt.

Das Lernen einer gesunden Balance zwischen Festhalten und Loslassen ist das Motto dieser Entwicklungsphase: Ich bin, was ich will und unabhängig wollen kann.

3. Entwicklungsstufe: Initiative versus Schuldgefühl (4. und 5. Lebensjahr)
Zu dieser Entwicklungsstufe schreibt Erikson:

Überschrift:
„Wir nähern uns dem Ende des 3. Lebensjahres; das Kind läuft mühelos und kräftig. Nach dem Buch „kann“ das Kind schon viel früher laufen; aber vom Standpunkt der Persönlichkeitsentfaltung her gesehen, kann es so lange nicht richtig laufen, als es das Kunststück bald besser, bald schlechter, mit mehr oder weniger Unterstützung und immer nur für kurze Zeit fertig bringt. Gehen und laufen werden zu einer bemeisterten Kunst, wenn das Kind den Schwerpunkt in sich selbst fühlt, wenn es vergisst, dass es läuft, und stattdessen das Laufen als Mittel zum Zweck verwendet. Erst jetzt sind seine Beine ein unbewusster Teil seiner Selbst statt eines äußeren und noch unzuverlässigen Verkehrsmittels.
Erst jetzt kann es herausfinden, was sich mit der neuen Fähigkeit ausrichten lässt. ...

Überschrift:
Nun bei der dritten Station ist das Kind im Stande, sich kraftvoll und unabhängig umher zu bewegen. Es ist bereit sich mit den Erwachsenen zu messen, es beginnt Vergleiche anzustellen und entwickelt eine unermüdliche Wissbegier, was Größenunterschiede im Allgemeinen und die Geschlechtsunterschiede im Besonderen betrifft. Es denkt sich zukünftige Rollen aus, oder versucht zu begreifen, welche Rollen nachzuahmen lohnt. Zunächst kann es sich jetzt mit Gleichaltrigen zusammen finden. Unter der Anleitung älterer Kinder oder einer Wärterin wird es in die kindliche Politik des Kindergartens und der Spielplätze eingeführt. Es lernt jetzt eminent , eindringlich und energisch: über seine eigenen Grenzen hinaus und zu Künftigen und zukünftigen Möglichkeiten hin.

Überschrift:
Der Modus des Eindringens, der dieses Stadium weitgehend beherrscht, bezeichnet eine Fülle von... „ähnlichen“ Handlungen und Phantasien. Er umfasst das Eindringen auf und in andere durch physischen Angriff; Das Eindringen in die Ohren und das Bewusstsein anderer durch aggressives reden; das Eindringen in den Raum durch kraftvolles Umherlaufen; Das Eindringen in das Unbekannte durch eine unersättliche Wissbegier.“

Kurzfassung
Das Kind lernt in der 3. Entwicklungsphase die Umgebung zu erkunden, sich zunehmend differenziert von der Umwelt zu bewegen. Dies führt zu unzähligen Fragen und zum sich ausprobieren in unterschiedlichen Rollen. Es entwickelt den Drang, die Umgebung zu erkunden und scheut sich nicht davor zurück, um die besondere Aufmerksamkeit des gegengeschlechtlichen Elternteils zu kämpfen und in Konkurrenz zum Gleichgeschlechtlichen aber überlegenen Elternteil zu treten. Hier ist der Bezug auf die Freudsche Libido-Theorie in der phallischen Phase zu erkennen. Der Vorwärtsdrang wird von Erikson Initiative genannt.

Merke: Erikson versteht unter dem Begriff Initiative, das Bestreben des Edukanden , die Umgebung geplant und systematisch auszukundschaften und Kennen zu lernen.
Bricht das Kind, bzw. der Edukand die Gebote und Verbote, so kann ein Gefühl der Schuld entstehen. Das Kind ist vorwärts getrieben durch die Initiative, stößt aber an Grenzen, die durch die Erwachsenen gesetzt werden. Es lernt Dinge ohne fremde Hilfe anzugehen. Dies erfordert von den Eltern einen möglichst freien Entwicklungsraum dem Kind zu überlassen. Dies ist sicherlich in Grenzen zu verstehen, die durch notwendige, gesundheitsschützende Maßnahmen sich ergeben.

Erikson postuliert: “Die Gefahr dieser Phase ist das Schuldgefühl in Bezug auf die Zielsetzungen und Unternehmungen, die in der überschäumenden Freude an der neuen körperlichen und geistigen Beweglichkeit und Kraft angegangen werden: Akte aggressiver Manipulation und Nötigung, die die Leistungsfähigkeit von Körper und Geist weit übersteigen und daher der Initiative ein energisches Halt entgegen setzen. Während die Autonomie-Phase sich darauf konzentriert, potentielle Rivalen auszuschalten und sich deshalb mehr in wütender Eifersucht gegen Übergriffe jüngerer Geschwister äußert. Tritt in der neuen Phase eine vorwegnehmende Rivalität gegenüber denjenigen in Erscheinung, die schon vorher da waren und das Feld, auf das sich die eigene Initiative richtet, mit überlegenen Kräften besetzt halten.“ Besondere Liebe und Geduld sind nun von den Eltern bzw. anderen Erziehern notwendig. Einerseits sind sie herausgefordert die Übergriffe gegen jüngere Geschwister in dem Moment zu stoppen, in dem es eine Verletzungsgefahr gibt, gleichzeitig aber möglichst viel Freiraum zu belassen, um die Krise, die zwischen den beiden Polen Initiative und Schuldgefühl entstehen kann, positiv zu bewältigen. Das Kind lernt bei Einhaltung bestimmter Regeln initiativ sein zu dürfen und zu könne.

Das Motto dieser Phase lautet: Ich bin das „wovon ich mir vorstellen kann, dass ich es sein werde“.


4. Entwicklungsstufe: Leistung bzw. Werksinn versus Minderwertigkeitsgefühl
(6. Lebensjahr bis Pubertät)

In dieser Entwicklungsphase möchte das Kind etwas leisten, etwas erstellen, dass einen echten Wert besitzt. Durch Arbeit möchte es die Anerkennung und Zuwendung der Erwachsenen erreichen. In diesem Zusammenhang spricht Erikson gleichbedeutend von Leistung und Werksinn, denn das Kind versucht gegen ein Minderwertigkeitsgefühl anzukämpfen. Diese Entwicklungsstufe entspricht der Latenzperiode der Freud’schen Entwicklungsphase der Libido. Während sexuelle Wünsche und Handlungen zurück treten, entwickelt das Kind ein wachsendes Interesse an der sachlichen Umwelt. In dieser Zeit ist es im besonderen Maße wichtig, dass Eltern durch ihr Vorbild dem Kind Handlungsmodelle anbieten, die Erstrebenwert sind. Erlebt das Kind die Eltern häufig beim Lesen und Schreiben, so wird es dies ähnlich versuchen nachzuahmen. Die Anerkennung der Erwachsenen zu gewinnen gelingt dem Kind in dem es mit Fleiß und Engagement deren Handlungsweisen nachahmt. Es ist die Phase, wo das Kind begeistert der Mutter beim Putzen des Hausflurs hilft und dem Vater beim Aussaugen des Autos zur Hand geht. Dieses Engagement legt sich leider später in der Pubertät.

Merke: Erikson definiert die Begriffe Leistung bzw. Werksinn als das Streben des Kindes, sich durch Handlungen und Tätigkeiten der Welt der Erwachsenen zuzuwenden, um deren Anerkennung zu erhalten.
Erikson selber schreibt hierzu: „Mit dem Herannahen der Latenzperiode vergisst...das normal entwickelte Kind seinen Drang, die anderen Menschen seiner Umwelt durch direkten Kontakt zu erobern...stattdessen lernt es, sich Anerkennung zu verschaffen, in dem es etwas leistet.“

Die 4. Entwicklungsphase beinhaltet so wie alle Phasen der Entwicklung die Gefahr des Scheiterns. Wenn das Kind z.B. mangelnde feinmotorische Fähigkeiten bei sich selbst erlebt, und daher, oder auch aus anderen Gründen, die erhoffte Anerkennung durch die Erwachsenen nicht erhält, so entsteht, zumindest auf diesen Lebensbereich bezogen, ein Gefühl der Minderwertigkeit und Unfähigkeit. Daher ist es ungeheuer wichtig, dass Erwachsene in dieser Lebensphase Kinder auch dann ermutigen, wenn sie z.B. in der Schule etwas nicht gut beherrschen. Das sonst entstehende Gefühl der Minderwertigkeit bezieht sich auf das eigene kindliche Know-how, aber auch auf die Einschätzung der eigenen Unabhängigkeit.

Zerstörerisch für diese Entwicklungsphase sind elterliche Sprüche wie:
„Du hast zwei linke Hände“
oder
„Du bist doof wie Bohnenstroh, wenn Du diese Aufgaben rechnen sollst“.
Auch wenn Eltern derartig unangebrachte Sprüche vermeiden und stattdessen sagen :
„Ach, Du kannst das nicht, lass mich mal machen“ entsteht ein starkes Gefühl der Abhängigkeit und somit der mangelnden Entwicklung der Selbstständigkeit.


Merke: Erikson definiert den Begriff Minderwertigkeit als ein Grundgefühl der eigenen Fehlerhaftigkeit im Sinne mangelnder Kompetenzen und/oder zu geringer Wertschätzung durch die Erwachsenenwelt.



Motto: „Ich bin das, was zum Funktionieren zu bringen ich lernen kann.“


5. Entwicklungsstufe: Identität versus Identitätsdiffusion bzw. Rollenkonfusion (13. bis 20. Lebensjahr)
Die Begriffe aus den vorherigen Phasen Vertrauen, Selbstständigkeit, Initiative, Engagement und Fleiß sind auch nun in der 5. Entwicklungsphase wichtig, „aber in der Pubertät werden alle Identifizierungen und alle Sicherungen, auf die man sich früher verlassen konnte, erneut in Frage gestellt, und zwar wegen des raschen Körperwachstums, das sich nur mit dem in der frühen Kindheit vergleichen lässt und dem sich jetzt die gänzlich neue Eigenschaft der physischen Geschlechtsreife zu gesellt. Der wachsende und der sich entwickelnde Jugendliche ist nun, angesichts der physischen Revolution in ihm, in erster Linie damit beschäftigt, seine soziale Rolle zu festigen. Er ist in manchmal krankhafter, oft absonderlicher Weise darauf konzentriert herauszufinden, wie er, im Vergleich zu seinem eigenen Selbstgefühl, in den Augen anderer erscheint, und wie er seine früher aufgebauten Rollen und Fertigkeiten mit den gerade modernen Idealen und Leitbildern verknüpfen kann.“

Der Jugendliche erhofft sich in dieser 5. Entwicklungsphase Inspiration durch das Ausprobieren in neuen sozialen Rollen. Dies geschieht zum Beispiel im Kreis seiner Peer-Group und erfährt erste Partnerbeziehungen und Begegnungen z.B. im Schulpraktikum mit beruflichen Anforderungen.

Ich-Identität
Die von Erikson postulierte Ich-Identität erreicht der Jugendliche erst, wenn er den Eindruck hat, dass seine Selbsteinschätzung sich mit der Einschätzung der Mitglieder der Peer-Group, bzw. vieler Mitschüler und der wichtigsten Bezugspersonen, wie Eltern deckt. Geschieht dies nicht, so entsteht die Gefahr der Rollenkonfusion. Darunter versteht Erikson den Zustand einer noch fehlenden Ich-Identität verbunden mit ungenauen, kaum gefestigten Vorstellungen von der eigenen Person, teilweisen depressiven Anwandlungen, großem Beziehungschaos und einer starken Wankelmütigkeit in den Beziehungen.

Die Entstehung der Ich-Identität gelingt besser, wenn der Jugendliche möglichst viele positive Erfahrungen gesammelt hat und dadurch ein gesundes Selbstbewusstsein besitzt. Falls dies nicht der Fall ist, kommt es zu der oben beschriebenen Diffusion bzw. Konfusion. Dies ist eine gefährliche Lebensphase, wenn die Krise nicht überwunden wird, so besteht eine erhöhte Gefahr, dass Kinder bzw. Jugendliche sich Gruppen mit starker hierarchischer Ausprägung, mit Tendenz zu Sucht- und Gewaltverhalten zuwenden.

Haben Eltern vorher dafür gesorgt, dass ein positiver Freundeskreis (Jugendgruppen in Kirchen, Vereinen, demokratischen Parteien usw.) so ist die Gefahr der Zuwendung zu Sucht und Gewalt geringer.

6. Entwicklungsstufe: Intimität und Solidarität versus Isolierung (20 bis etwa 45 Jahre)
Der ehemals Jugendliche ist nun ein junger Erwachsener geworden und er ist – wenn alles gut gegangen ist – aus der vorherigen Entwicklungsstufe mit einer gefestigten und starken Identität hervorgegangen. Diese geklärte Identität erlaubt tragfeste Partnerschaft, Nähe, Solidarität und, wie Erikson es formuliert, Intimität.

Erikson versteht unter dem Begriff Intimität die Fähigkeit und Bereitschaft des Menschen tragfeste Bindungen bzw. Partnerschaften einzugehen und für diese Beziehungen Verantwortung und Verpflichtung, nicht nur zu akzeptieren, sondern bewusst zu übernehmen.

Durch das Vorhandensein der Identität ist es möglich sich dem Partner bzw. der Partnerin zu öffnen. Der Gegenpol im Falle der Nichtbewältigung entsprechender Entwicklungsaufgaben bzw. Krisen steht die Isolierung. Isolierung entsteht dort, wo noch keine stabile Ich-Identität entstanden ist. Es ist jedoch wichtig in dieser Phase, dass die Erfahrung der Isolation oder Isolierung bzw. Distanzierung für jeden wichtig ist.
Es geht um ein sinnvolles, ausgewogenes Verhältnis, also um eine Balance, zwischen beiden Polen, die mit einer gesunden Identität entwickelt werden kann. Erikson formuliert die Isolierung als psychosoziale Entwicklung mit der Tendenz, dass Menschen Kontakte zu vermeiden, sich abzuschotten, in sich gekehrt zu leben. Er schreibt: „Das Gegenstück zur Intimität ist die Distanzierung. Die Bereitschaft, jene Kräfte und Menschen, deren Wesen dem eigenen Ich gefährlich erscheint abzuweisen, zu isolieren und wenn nötig zu zerstören.“
Mögliche Krisenereignisse in dieser Phase sind die Trennung von Freunden oder Freundinnen, eine Problematik im Berufsleben (das gute Umgehen mit Arbeitskollegen), dazu gehört eben die Problematik des Erfolgs oder Misserfolgs in der Ausbildung usw.

7. Entwicklungsphase: Zeugende Fähigkeit bzw. Generativität versus Stagnation bzw. Selbstabkapselung (45 bis 65 Jahre)
Erikson versteht unter dem Begriff Stagnation ein starkes Gefühl des Entwicklungsstillstands und einer Verarmung bzgl. der Persönlichkeit und der zwischenmenschlichen Beziehungen. In dieser Phase kann es zu stressbedingten Routine-Leben kommen. Man macht die Dinge so, wie man sie immer macht und ist selten offen für neue Persönlichkeitsentwicklungen. Im positiven Falle jedoch entwickelt sich in dieser Phase – laut Erikson – das Bedürfnis etwas zu Gründen, zu Erstellen, zu Zeugen. Oftmals werden in dieser Lebensphase Familien gegründet, Häuser gebaut oder Wertvolles in Vereinen bzw. in einem sonstigen Gesellschaftsleben geleistet. Erikson versteht unter der Generativität das Erziehen der nächsten Generation, sei dies als Eltern oder sonst in einer Form, die dieses Ziel vor Augen hat (z.B. als Lehrer). Ein derartiges Streben jedoch kann nur entstehen, wenn vorhergehende Phasen, so auch die der Vertrauensbildungsfähigkeit, positiv durchlebt wurden. Die Gefahr sich auf wenige Themen und Beziehungen, wie Arbeitsplatz, Haushalt, Geld verdienen, Versorgen usw. zu beschränken, kann eine Vereinsamung bzgl. weitergehender Freundeskreise verursachen.

8. Entwicklungsstufe: Ich-Integrität versus Verzweiflung und Ekel (65 Jahr bis Tod)
Wenn wirklich alles gut gelaufen ist in den vorherigen Jahrzehnten, also alle Lebenskrisen größtenteils positiv überwunden wurden, kommt es in diesem Stadium zu einer vollen Reife, zu einer Lebensweisheit, die akzeptiert was Geschehen ist, was sein musste und was genauso richtig war. Es geht also darum in dieser letzten Lebensphase das bisherige Leben, so wie es war, zu akzeptieren mit allen positiven und negativen Erlebnissen und Ereignissen. Dadurch wird es möglich in Ruhe und in Ausgeglichenheit zu leben. Falls es nicht gelingt sein Leben zu akzeptieren, gelangt der Mensch im ungünstigen Fall, zu einer negativen Lebensbilanz. Er bewertet sein eigenes Leben als sinnlos und erfolglos. Die Erkenntnis im hohen Alter den falschen Ehepartner, den falschen Beruf und vor allem die falschen Kinder zu haben verursachen Verzweiflung, die sich in Todesfurcht, Ekel vor sich selbst, Lebensmüdigkeit und Verachtung gegenüber anderen Menschen und sich selbst zum Ausdruck bringen. Es wird dem Menschen sehr deutlich, dass eigentlich er nur das ist, was von ihm überlebt, das was noch sein wird, wenn sein Körper gestorben ist.

3. Arbeitsaufgabe:Formulieren Sie für jede Entwicklungsphase eine Entwicklungsaufgabe, die der Heranwachsende bewältigen muss, um in die nächste Phase hineinzukommen.
4. Arbeitsaufgabe: Erstellen Sie ein Schaubild, in dem alle Entwicklungsphasen nach Erikson dargestellt werden. Zeichnen Sie einzelne Symbole und kleine Bilder, die jeweils für eine Phase stehen.
5. Arbeitsaufgabe: Vergleichen Sie ausführlich das Phasenmodell von Erikson mit dem von Freud. Arbeiten Sie Parallelen und Unterschiede heraus. Versuchen Sie ein Fazit beider Theorien zu erörtern.



Die Bedeutung des psychosozialen Entwicklungsmodell von Erikson für die Erziehung
1. Die Forderung nach vertrauensbildenden Maßnahmen
In der 1. Entwicklungsphase geht es darum, dass Eltern eine starke und zuverlässige Beziehung zu ihrem Kind aufbauen. Dies geschieht nur, in dem neben dem Befriedigen der Grundbedürfnisse nach Nahrung, körperlicher Nähe, Geborgenheit und Wärme, Zeit verbringen, in denen echtes Einfühlungsvermögen, Wertschätzung und Zuverlässigkeit prägend sind. Diese pädagogischen Konsequenzen gelten für die Eltern, als für Vater und Mutter, und nicht nur für ein Elternteil. Hier wird nicht die Forderung postuliert völlig verkrampft das Kind auch in den ersten Lebensjahren zu Überbehüten. Statt dessen geht es darum, sicher zu sein, dass ein ausreichend, genügendes Maß an Zuwendung dem Kind zugedacht wird.

2. Autonomie fördernde Maßnahmen
Eine übermäßige Kontrolle und Verwöhnung verhindert eine Selbstständigkeit, die wichtig ist für die Zukunft des Edukanden.
Eltern sind in dieser Lebensphase herausgefordert dem Kind immer wieder kontrollierte Freiheit zu gewähren. Das Kind darf laufen, sich bewegen, die Welt erkunden und darf nicht in seinem Bewegungsdrang grundsätzlich und permanent eingeschränkt werden. Wichtig ist jedoch, das Kind nicht zu überfordern, damit es nicht zu Beziehung zerstörerischen Tumulten kommt. Die Botschaft des Kindes „ich kann das schon“, muss ernst genommen werden und es gilt Dinge zu erlauben.

Beispiel: Früher wurde den Kindern gesagt: „ Feuer, Messer, Schere, Licht sind für kleine Kinder nicht“.

Dieses Verbot Dinge zu benutzen hat Kinder den Umgang mit diesen „gefährlichen“ Werkzeugen nie erlernen lassen. Entsprechende Papierscheren, die es heutzutage zum Glück gibt, sind für Kleinstkinder zugeschnitten und erlauben den kindlichen Umgang.
Wenn das Kind mehr und mehr Initiative übernimmt und seiner eigenen Phantasie und Kraft vertraut, braucht es Ermutigung und Stützung für die gelungenen Handlungsweisen und freundlich akzeptierende Korrektur bei Dingen, die falsch gelaufen sind. Die Korrektur muss aber immer so geschehen, dass die Beziehungsbotschaft heißt: „Du bist gut, das machst Du schon recht gut, wenn Du es etwas anders machst, wird es noch besser“. Elterliche Reaktionen auf die kindliche Initiative sind entscheidend dafür, welchen Glauben das Kind an sich selbst, bzw. welche Identität es bilden kann.

Bedeutung des Entwicklungsmodell nach Erikson für das eigene Leben
Um den Wert dieser Lektion für jeden Studienteilnehmer persönlich zu erhöhen, macht es Sinn, die einzelnen Aussagen zu den Entwicklungsstufen, auf das eigene Leben zu beziehen. Es geht darum, selber zu analysieren, in welcher Entwicklungsstufe der Kursteilnehmer sich befindet und welche konkreten praktischen Schritte er bzw. sie in einer Art Selbst-Therapie oder Selbst-Erziehung leisten kann.

Hierzu sollen folgende Fragen der Selbstreflexion behilflich sein:
• In welcher Entwicklungsstufe befinde ich mich zurzeit?
• Habe ich alle Aufgaben bzw. Krisen aus der jetzigen Entwicklungsstufe und der vorhergehenden erfolgreich bewältigt?
• Gibt es Möglichkeiten sehr praktisch und konkret eventuelle Defizite in meiner Krisenbewältigung im Nachhinein aufzuarbeiten?
• Gibt es die Möglichkeit schon im Vorhinein sinnvolles zu tun, um die anstehenden Aufgaben/Krisen kommender Entwicklungsphasen zu bewältigen?

Defizitäre oder problematische Antworten auf diese Fragen könnten lauten:
• Ich habe zu wenig Vertrauen und bin eher kontaktscheu.
• Meine Schüchternheit, besonders wenn es darum geht mit Menschen des anderen Geschlechtes ins Gespräch zu kommen, hindert mich allzu oft die von mir ersehnten Beziehungen aufzubauen;
• Ich habe Schuldgefühle, weil ich die Beziehung zu Familie und Freunden lieblos und zu Ich-bezogen gestalte.
• Ich würde gerne mich weiter entwickeln, aber der Stress und die alltägliche Routine scheinen es mir nicht zu erlauben.
• Ich würde gerne etwas gründen, aufbauen, wichtig sein im Dienste der Gesellschaft, aber ich kann mich nicht aufraffen.

Konkrete, praktische Schritte, im Rahmen der Selbsterziehung, für die man spätestens ab dem 14./15. Lebensjahr verantwortlich ist, könnten sein:

Ich nehme mir vor,
• neue Menschen kennen zu lernen und ihnen aktiv zuzuhören;
• bestehende Freundschaften zu pflegen und gegebenenfalls falsche Freunde zu entlarven;
• mehr Vertrauen zu wagen, dabei genau beobachten, wer dies verdient;
• Ideen konkret zu verwirklichen, eine Firma gründen ist leichter, als viele glauben, ein Haus bauen ist ein realistisches Ziel, wenn man es wirklich will, eine Familie gründen ist möglich, wenn ich mich in dem Tragen und Aushalten von Beziehungen geübt habe.

Mögliche positive Antworten auf die oben dargestellten Selbstreflexionsfragen:

• Ich weiß sehr wohl, wem ich vertrauen kann und wem nicht.
• Ich habe meine Ziele in meinem Leben und glaube daran, dass ich den größten Teil von ihnen erreichen werde.
• Es macht mir Spaß etwas zu schaffen, etwas zu leisten und bin Stolz über das Ergebnis.
• Ich weiß, wer ich bin, kenne meine Schwächen und Stärken und habe meine Ziele mich zu verbessern.
• Ich weiß, dass ich vielleicht nicht der schönste Mensch auf dieser Welt bin, aber es gibt genügend Menschen, die anerkennen, dass ich gepflegt und mit einer inneren Attraktivität durchs Leben gehe.
• Ich brauche immer wieder neue Themen und Ziele, auf die ich hin zu gehe, nur die Wohnzimmercouch wäre zu langweilig.
• Ich akzeptiere, dass ich im zunehmenden Alter weniger Kraft, aber dafür sehr viel mehr Lebensweisheit habe.
• Meine Beziehung zu meinen Kindern und anderen Menschen sind mir wichtig.

6. Aufgabe zur Selbstüberprüfung
Lückentext Erikson 

Lückentext: Persönlichkeitsentwicklung nach Erikson
Erikson, Erik Homburger, deutscher Herkunft, * Frankfurt am Main 15. 6. 1902, † Harwich (Massachusetts) 12. 5. 1994; 1933 in die USA, Professor in Berkeley (Kalifornien), in Pittsburgh (Pennsylvania) und an der Harvard University; einer der führenden Vertreter der Jugendpsychologie.
Werke: Kindheit und Gesellschaft (1950); Jugend und Krise (1968).
Unser ganzes Leben lang durchlaufen wir Menschen verschiedene aufeinander aufbauende
. Jede Phase birgt eine in sich, die wir bewältigen müssen. Je nachdem wie wir die Krise bestehen, können wir uns positiv oder_____________ weiterentwickeln. Der amerikanische Psychoanalytiker Erikson unterscheidet _________ Lebenskrisen:
1. Urvertrauen versus : Im ersten Lebensjahr lernt der___________ , entweder seiner Umwelt zu vertrauen oder zu misstrauen. Bei Misstrauen reagiert der Mensch mit Unsicherheit, und Rückzug. Diese Erfahrung erwirbt er für sein ganzes Leben.
2. versus Scham und Zweifel: Im zweiten und dritten Lebensjahr entdeckt das verschiedene Fähigkeiten an sich. Hat es die Möglichkeit, seine Fähigkeiten auszuprobieren, so erwirbt es Selbständigkeit (= _____________ ). Wird es dagegen kritisiert und bestraft, (z.B. für selbstbewusstes Verhalten, das sich als Trotzen äußert), so zweifelt es an sich selbst. In dieser Zeit wird die Reinlichkeitserziehung sehr wichtig. Wird hier das von den überfordert, so entwickelt es eine Schamhaltung.
3. Initiative versus : Im vierten und fünften Lebensjahr zeigt das Kind immer mehr Eigeninitiative (z.B. im Kindergarten). Eltern können diese Ablösung von Zuhause begrüßen und somit die Initiative verstärken oder durch Verbote einengen, ihm fehlenden Selbstwert zeigen und somit Schuldgefühle erzeugen.
4. versus Minderwertigkeitsgefühle: Im sechsten bis elften Lebensjahr interessiert sich das Kind dafür, wie die Dinge funktionieren. Erfährt sich hier das Kind als dumm oder störend, so entwickelt es ein ___________________. Es neigt dann zu Entschlusslosigkeit, Trägheit und Langeweile, hat das Gefühl zu Versagen. Diese Erfahrung macht es vor allem außerhalb des Elternhauses (Grundschule).
5. Identitätsfindung versus : Der Jugendliche (12 bis 18 Jahre) erfährt eine neue Welt. Er verhält sich in verschiedenen Situationen unterschiedlich und probiert somit verschiedene Rollen aus. Dies hilft ihm zur Antwort auf seine Frage, wer er eigentlich ist (____________________). Entwickelt er hierzu keine Antwort, so lernt er nicht, "seine Rolle" zu finden. Das Selbstbewusstsein schwankt, der Jugendliche nimmt sein Selbst als bruchstückhaft wahr, ist verwirrt. Er wechselt daher ständig seine _________________ bzw. landet in einer "negativen" Rolle, die von der Gesellschaft abgelehnt wird (z.B. Rocker, Punker).
6._______ versus Isolation: Der junge Erwachsene sucht den Kontakt zu anderen Personen, insbesondere zum anderen Geschlecht (Partnerschaft und Bindung). Daraus kann sich eine Intimität in sexueller, gefühlsmäßiger und moralischer Hinsicht entwickeln. er kann vom "Ich" zum kommen, ohne sich selbst aufzugeben. Scheitert jedoch die Kontaktaufnahme, so wird sich der Erwachsene in die zurückziehen. Er leugnet seine Bedürfnisse nach Nähe, kann eine pathologische Exklusivität und Extravaganz entwickeln.
7. Schaffenskraft versus : Im mittleren Erwachsenenalter (ca. 30 bis 50 Jahre) richtet sich das Interesse über die eigene Person hinaus auf die Familie, auf die Gesellschaft, auf zukünftige Generationen. Man will sich und seine Fähigkeiten an die _____________ weitergeben. Erlebt man dabei die Enttäuschung, dass der eigene Beitrag bei den anderen nicht ankommt, so erfolgt ein Rückzug auf sich selbst, z.B. ein Sich-beschränken auf den rein materiellen Besitz. der Mensch hat selbstbezogene Interessen, fehlende Zukunftsorientierung und eine ablehnende Grundhaltung.
8. versus Verzweiflung: Ab ca. sechzig Jahren steht der Erwachsene vor einem Entwicklungsabschnitt, den er als Abstieg erlebt: Verlust der Berufstätigkeit und somit von sozialer Anerkennung, körperlicher und geistiger Abbau. Er muss sich jetzt auf den_______ hin orientieren. Hieraus kann Verzweiflung folgen bis zur Selbstverachtung, wenn das Leben insgesamt als unbefriedigend erlebt wurde. Sieht er jedoch sein Leben als erfüllt an, so empfindet er sich als eine - das Gefühl von Ganzheit und grundlegender Zufriedenheit: "Ich habe es geschafft, es war gut so, ich werde es weiter schaffen"
Fügen Sie die folgenden Begriffe in die passenden Lücken ein: Isolation;
Kompetenz, Tod ,Minderwertigkeitsgefühl, amerikanischer Psychologe ;Angst emigrierte; Ich-Integrität , Schuldgefühl, Identitätsfindung Eltern, Rollendiffusion
Krise, Stagnation; Autonomie; "Wir" , Phasen ; Kind ; Autonomie, negativ; Misstrauen; Säugling
acht; Rollen , Kind ; Intimität; Ich-Integrität , Nachkommen


7. Erläutern Sie die Entwicklungsmodelle von Freud und Erikson an Hand von selbstgewählten Beispielen.
8. Arbeiten Sie heraus, inwiefern Eriksons Modell, Unterschiede gegenüber dem Modell von Sigmund Freud hat.
9. Geben Sie die Grundgedanken der Entwicklungstheorie von Erik H. Erikson in Form einer eigenen schematischen Darstellung, wie einer Mind-Map oder einem Schaubild wieder.
10. Erörtern Sie die Bedeutung der Eriksonschen Theorie für die Erziehung. Gehen Sie dabei über die in dieser Lektion gemachten Ausführungen hinaus und stellen Sie eigenen Überlegungen an.
11. Ordnen Sie die Aussagen des folgenden Textes von Erikson in die jeweilige passende Entwicklungsstufe des Modells von Erikson ein. „Eifersucht und Rivalität, die so oft verbitterten und doch ihrem Wesen nach nutzlosen Versuche, eines Sphäre unangefochtener Privilegien abzugrenzen, erreichen nun einen Höhepunkt in einem letzten Wettkampf um eine bevorzugte Position bei einem Elternteil: Die unvermeidliche und notwendige Niederlage führt zu Schuld und Angst. Das Kind ergeht sich in Phantasien, ein Riese oder ein Tiger zu sein, aber in seinen Träumen rennt es voll Angst ums liebe Leben. Das also ist das Stadium der Angst um Leben und Glied, des „Kastrationskomplexes“ – der gesteigerten Angst vor dem Verlust oder, auf Seiten des Mädchens, der Überzeugung vom Verlust des männlichen Genitales als Strafe für geheime Phantasien und Taten.“
12. Bestimmen Sie zu welcher Stufe des Entwicklungsmodells von Erikson die Aussagen des folgenden Textes passen. Begründen Sie Ihre Aussagen.

„Andererseits ist dieses Stadium in sozialer Beziehung höchst entscheidend: Da der Tätigkeitsdrang, das Tun, mit und neben anderen umfasst, entwickelt sich in dieser Zeit ein Gefühl für Arbeitsteilung und für gerechte Chancen. Wenn ein Kind zu Fühlen beginnt, dass es seine Hautfarbe, sein Elternhaus oder der Preis seiner Kleidung ist, die über seinen sozialen Wert entscheiden, und nicht sein Wunsch und Wille zu lernen, so kann es daraus dauernden Schaden an seinem Identitätsgefühl nehmen...“

Machen Sie Vorschläge, wie Erzieher auf die von Erikson beschriebene Situation in dem oben dargestellten Text eingehen können. Welche pädagogische Bedeutung hat die von Erikson beschriebene Situation?

13. Johannes Bilstein schreibt: „Die Kritik an Erikson hat sich vor allem darauf bezogen, dass er allzu harmonistisch das Zusammenwirken von individueller Entwicklung und gesellschaftlichen Anforderungen schildert. Konfliktmöglichkeiten zwischen den Beiden - z.B. in der Familie – wie auch die Frage, ob denn die Ansprüche und Rollenerwartungen immer gerechtfertigt sind, würden dagegen vernachlässigt...“ Überprüfen Sie, ob die These von Bilstein bezüglich der Schwächen von Eriksons Entwicklungsstufenmodell richtig ist.

14. Lesen Sie intensiv den folgenden Text durch und bearbeiten Sie danach die folgenden Aufgaben. 

Wilhelm Reich: Kritik der Positionen Freuds.
„Zwei schwerwiegende Tatbestände hinderten mich, Freud zu folgen, obwohl ich seine Motive begriff: Der eine war der ständig wachsende Anspruch der kulturell vernachlässigten, materiell Misshandelten und seelische ruinierten Menschenmasse auf Bestimmung des gesellschaftlichen Seins. Ihr Standpunkt war der des irdischen Lebensglücks.
Ich hatte dieses Massenerwachen zu gut kennen gelernt, um es abzulehnen oder als gesellschaftliche Kraft nicht richtig einzuschätzen. Freuds Motive waren korrekt. Sie einfach abtun, bedeutete unweigerlich, sich Seite an Seite mit dem nicht arbeitenden Drohnen der Gesellschaft finden.
Der zweite Tatbestand war, dass ich die Menschen in zweierlei Weise zu sehen gelernt hatte: Sie waren oft korrupt, abhängig, treulos, vollgespickt mit leeren Schlagworten oder verödet. Doch das war nicht Naturgegeben. So waren sie durch die Lebensumstände geworden; Sie konnten also im Prinzip auch anders werden: Anständig, gerade, liebesfähig, gesellig, solidarisch, ohne Zwang sozial. Es ging um Widersprüche charakterlicher Art, die Widersprüche des gesellschaftlichen Lebens spiegelten. Immer mehr musste ich einsehen, dass das was „böse“ und „unsozial“ genannt wird, neurotischer Mechanismus ist: Ein Kind wehrt sich zunächst.
Es unterliegt und es behält nun die Abwehr der Lusteinschränkung bei Verlust der Lustfähigkeit in Form krankhafter, zielloser, irrationaler Trotzreaktion bei. Ebenso spiegelte das menschliche Verhalten nur den Widerspruch von Lebensbejahung und Lebensfeindschaft im sozialen Prozess wider: Konnte sich der Widerspruch von Luststreben und gesellschaftlicher Lustvertagung einmal auflösen?
Die analytische Sexualforschung erschien mir als erster Schritt in der Richtung einer solchen Veränderung. Dieser Ansatz bog nun um. Er wurde zu einer abstrakten, dann konservativen „Kulturanpassungslehre“ mit einem Haufen unlösbarer Widersprüche.

Der Schluss stand unwiderleglich fest: Die Lebens- und Lustsehnsucht der Menschen ist nicht zu bändigen; Dagegen kann die gesellschaftliche Unordnung des Sexuallebens beseitigt werden. Da begann Freud zu verabsolutieren, der asketischen Ideologie Rechtfertigungen zu schaffen.
Uneingeschränkte Befriedigung aller Bedürfnisse, meinte er, drängte sich als die verlockenste Art der Lebensführung auf, doch das hieße den Genuss vor die Vorsicht setzen und strafte sich nach kurzer Zeit. Darauf konnte ich zu der Zeit bereits antworten, dass es auf die Unterscheidung der natürlichen Glücksbedürfnisse von den sekundären, durch die Zwangserziehung erzeugten asozialen Antriebe ankommt. Für die sekundären, also zweitrangigen unnatürlichen asozialen Triebe gilt weiter die moralische Bremse. Für die natürlichen Lustbedürfnisse gilt das Freiheitsprinzip, wenn man will, das „Ausleben“. Man muss nur wissen, was das Wort Trieb jeweils meint.
Freud schrieb „Die Leistung der Rauschmittel im Kampf um das Glück und zur Fernhaltung des Elends wird so sehr als Wohltat geschätzt, das Individuen, Völker ihnen eine feste Stellung in ihrer Libidoökonomie eingeräumt haben...“ Kein Wort der ärztlichen Ablehnung dieser Ersatzlust, die den Organismus zerschlägt! Kein Wort über die Vorbedingung des Rauschbedürfnisses, die Versagung des Liebesglücks! Kein Wort in der ganzen psychoanalytischen Literatur über die Beziehung der Sucht zur genitalen Unbefriedigtheit. Freuds Auskunft war hoffnungslos. Zwar wäre das Luststreben unausrottbar, doch beeinflusst sollte nicht die gesellschaftliche Unordnung, sondern der Trieb nach dem Glück werden.
Der komplizierte Bau des seelischen Apparats gestattet, meinte er weiter, eine Reihe von Beeinflussungen.
Wie Triebbefriedigung Glück sei, so werde die Ursache schweren Leidens, wenn die Außenwelt uns darben lässt und die Sättigung der Bedürfnisse verweigert. Man könnte also hoffen, durch Einwirkung auf die Triebfügungen (nicht also auf die Welt, die darben lässt) von einem Teil des Leidens frei zu werden. Diese Beeinflussung suchte der inneren Quelle der Bedürfnisse Herr zu werden.
In extremster Weise geschehe dies, indem man die Triebe ertötet, wie die orientalische Lebensweisheit lehrt und die Yoga-Praxis ausführt.
So Freud, der die Tatsache der kindlichen Sexualität und der Sexualverdrängung unwiderleglich vor die Welt gestellt hatte.
Hier konnte und durfte man Freud nicht mehr folgen. Mehr, man musste alles aufbieten, um gegen die Folgen solcher Anschauung, von einer Autorität ausgesprochen, scharf anzukämpfen. Ich wusste, dass ich alle bösen Geister der Lebensangst auf Freud berufen würden. So durfte man ein Menschheitsproblem ersten Ranges nicht erledigen (...).

Das brennendste Problem der Jugend und der verödenden Kindheit war die erzieherische Tötung der spontanen Lebensregungen im Interesse einer fragwürdigen Kultiviertheit. Dazu durfte Wissenschaft nie ja sagen.. So bequem durfte sie es sich nicht machen, zumal Freud selbst die überragende Rolle des menschlichen Glücksstrebens und seine prinzipielle Richtigkeit nicht in Frage stellt.“

Aufgabenstellungen:
a) Arbeiten Sie die Kritik des Freud-Schülers an den Grundannahmen von Freud heraus und fassen Sie Reichs eigenen Ansatz mit eigenen Worten gekürzt zusammen.

TIPP: Um Aufgabe 1 richtig zu bearbeiten sollten Sie den Text mit der Fragestellung bearbeiten, welche Gedanken von Sigmund Freud von Wilhelm Reich übernommen und welche Gedanken von ihm abgelehnt werden. Danach sollten Sie die Sichtweise von Reich zusammenfassen.

b) Entfalten Sie die psychologischen Auffassungen von Sigmund Freud und Wilhelm Reich und stellen Sie die Konsequenzen für die Erziehung dar, die daraus entwickelt worden sind.

15. Arbeitsaufgabe: Beschreiben und interpretieren Sie anhand der folgenden „Fallbeschreibung Alexander“ den entsprechenden Entwicklungsabschnitt von Alexander. Ziehen Sie Konsequenzen aus Eriksons Modell und wenden Sie diese auf die Erziehung von Alexander an. Was würden Sie – inspiriert von Erikson – anders machen? 

Fallbeschreibung Alexander von Hermann Hobmair
Alexander E. wuchs in sozial schwierigen Verhältnissen auf. Es mangelte nicht nur an Geld, sondern auch an Zuneigung und persönliche Betreuung. Im Alter von zwei Jahren trennten sich die Eltern. Daraufhin wurde seine Mutter abhängig von den Leistungen durch Hartz IV, bzw. von unregelmäßigen Jobs. Der sehr bescheidene Lebensunterhalt wurde nur durch seltene Verdienstmöglichkeiten sichergestellt, das allerdings sorgte dafür, dass Alexander in frühester Kindheit zu Nachbarn, Verwandten oder sonstigen Bekannten abgeschoben wurde. Hier wurde er mit den nötigsten Dingen, wie Nahrung und saubere Kleidung versorgt. Ansonsten musste er viele Stunden, schon als Säugling alleine verbringen. Von Anfang an war Alexander eine einzige Last für die Mutter. Er wollte sich bewegen und die Wohnung erkunden, doch der damals übliche Laufstall verhinderte dies. Schließlich sollte er keine Unordnung machen. Sehr streng erzog die Mutter Alexander zu einer sterilen Reinlichkeit, so dass er schon nach seinem zweiten Lebensjahr „trocken“ war.










Eriksontabelle
Quelle: Identität und Lebenszyklus, E.H. Erikson, Suhrkamp 1978

Alter Psychosoziales Stadium Bezugssystem Sozialordnung Modalitäten Erfolgreiche Bewältigung der Krise / Phase
Erstes Lebensjahr Vertrauen - Misstrauen Mutter Kosmische Ordnung Gegeben bekommen
geben Optimismus, Wärme, Urvertrauen
2-3 Jahre Autonomie – Scham, Zweifel Eltern Regeln, Gesetze, Ordnung Festhalten
Loslassen Angemessene Selbstkontrolle
Stolz auf Leistung
3-5 Jahre Initiative – Schuldgefühle Familie Ideale, Leitbilder Aktives Tun
spielen
Ernstspielalter Entschlusskraft, Zielgerichtetheit, Durchhaltewillen
6 - Pubertät Werksinn – Minderwertigkeit
Fleiss - Unterlegenheit Wohnumgebung
Schule Technologische Elemente Sachebene Vom Spielcharakter hin zum richtigen machen / mit andern zusammen Gefühl der Tüchtigkeit
Beherrschung der Umwelt
Sich etwas zutrauen
Adoleszenz Identität – Identitätsdiffusion
Ich-Abgrenzung - Rollendiffusion Peergruppe
Freundeskreis
Vorbilder Ideologien
Wer bin ich innerhalb der Gemeinschaft
Gefühl des Selbst
Fühlen und wissen, wer man eigentlich ist
Frühes Erwachsenenalter Intimität – Isolierung Freunde, sexuelle Partner, Rivalen, Mitarbeiter Arbeits-, und Rivalitätsordnung Sich im andern verlieren und finden Fähigkeit, enge und tiefe Beziehungen einzugehen
Mittlere Jahre Generieren-(sich)absorbieren Gemeinsame Aufgaben und Arbeiten, partnerschaftliches Zusammenleben Zeitströmungen, das aktuelle Verständnis von Erziehung, Kontext der Normen und Werte Schaffen und versorgen Produktivität und Kreativität, Engagement für künftige Generationen
Spätes Erwachsenenalter Integrität – Verzweiflung Die Menschheit Weisheit Individuation, sein was man geworden ist Gefühl eines sinnvollen Lebens Akzeptieren der Sterblichkeit


______________________________________________________

Fußnoten:

1 Affinität = Af|fi|ni|tät [f. -; nur Sg.] Wesensverwandtschaft; eine A. zu jmdm. haben sich wesensverwandt mit ihm fühlen
2 Libido = das lateinische Wort Libido bedeutet wörtlich übersetzt soviel wie Verlangen, Lust, Begierde und bezieht sich nicht nur auf das Sexuelle, sondern auf weitere Lustmöglichkeiten. Bei Sigmund Freud wird mit diesem Begriff die Energie des Sexualtriebes, die sich auf Gegenstände, Phantasien und Menschen richten kann, gemeint.
Relativiert bzw. relativieren = Einen Sachverhalt, eine Verhaltensweise, eine Aussage oder einen Menschen mit etwas anderem in eine Beziehung bringen u. dadurch in seiner Gültigkeit einschränken.


3 Adoleszenz = Übergang von der Kindheit zum Erwachsensein, Pubertät
http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/PSYCHOLOGIEENTWICKLUNG/EntwicklungsaufgabeJugend.shtml
Relevant = wichtig, bedeutsam, ausschlaggebend
Diagnostizieren = einen Mangelzustand durch eine gründliche Untersuchung feststellen und beschreiben können. Zur Diagnose gehört auch die Ursachenforschung des Mangelzustandes (=Krankheiten, Verhaltensstörungen usw.)
Intervenieren = sich einmischen, eingreifen, hier: therapeutische Maßnahmen ergreifen, die zur Verbesserung des Mangelzustandes führen.
Diffusion = das Auseinanderfließen –streuen, -laufen eines Materials oder eines Sachverhaltes
Konfusion = Zerstreuung, Verwirrung, Unklarheit, Zusammenbruch, Chaos
Versus = kontra = gegen; das lateinische Wort versus steht für gegen und wird beispielsweise auch in Fernsehübertragungen von Sportereignissen benutzt (Bayern München versus Real Madrid)
Modalität = art und Weise des Handelns, der Durchführung eines Vertrages, eines Beschlusses, einer Vereinbarung; Rahmenbedingung
Erikson, Erik H.: „Jugend und Krise – die Psychodynamik im sozialen Wandel“, Stuttgart 1970, Seite 99 - 100
Erziehungsmittel = dies sind alle Handlungsweisen, angefangen von kleinsten Mimiken und Gestiken bis hin zu bewussten Handlungen wie loben, strafen, belohnen usw., die von den Eltern bzw. Erzieher eingesetzt werden, damit das Kind eine ganz bestimmte Verhaltensweise, Fertigkeit und Kompetenz erreichen kann.
Autonomie = Selbstständigkeit, Unabhängigkeit, Freiheit zu eigenen Meinungs- und Willensbekundungen
Rudimente = dies sind Überbleibsel, bruchstückartige Reste aus einer früheren Zeit, einem früheren Lebensabschnitt, der noch als Rest erhalten ist.
Kognitive = Geistige, Denkende
Ontogenetisch = die Entwicklung des einzelnen Menschen von der Eizelle bis zum geschlechtsreifen Zustand betreffend.
Exkremente sind die körperlichen Ausscheidungen Urin und Kot
Erikson, Erik H.: „Kinderspiel und politische Phantasie – Stufen in der Ritualisierung der Realität“, Frankfurt 1978, Seite 74-76
postulierten = fordern, zur Bedingung machen; feststellen.
Eminent = außerordentlich, besonders, äußerst, im besonderen Maße
Modus = Art und Weise eines Handelns, Geschehens oder Ereignisses, Rahmenbedingung
Erikson, Erik H.: „Wachstum und Krisen der gesunden Persönlichkeit“ – in: Erikson, Erik H.: „Identität und Lebenszyklus. Drei Aufsätze“, Frankfurt a.M. 1966, Seite 88-89
Edukand = der zu Erziehende, meist Kinder und Jugendliche. Ältere Menschen mit Behinderungen, auch geistige oder psychische Behinderungen werden nicht erzogen, sondern gefördert.
Potentiell = den vorhandenen Möglichkeiten oder denkbaren Anlagen entsprechend
Erikson, Erik H.: „Kindheit und Gesellschaft“ – Stuttgart (Klett), 1971, Seite 250
Die Latenzphase ist eine von Sigmund Freud geprägte psychoanalytische Bezeichnung für den Zeitabschnitt etwa ab dem 6.Lebensjahr, der auf die phallische Phase und den bewältigten Ödipuskomplex folgt und mit der Pubertät (dem Beginn der genitalen Phase) endet. Charakteristisch für die Latenzphase ist das Zurücktreten sexueller Wünsche und Handlungen zurücktreten, die Verdrängung unbewusster Wünsche kann zunehmen; geistige und soziale Fertigkeiten entwickeln sich verstärkt. (c) Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, 2006
Erikson, Erik H.: „Kindheit und Gesellschaft“ Übersetzt von Marianne von Eckardt-Jaffé, Stuttgart, Klett-Cotta, 1999, Seite 253
Diffusion = das Auseinanderfließen –streuen, -laufen eines Materials oder eines Sachverhaltes
Konfusion = Zerstreuung, Verwirrung, Unklarheit, Zusammenbruch, Chaos
Erikson, 1966 aaO, Seite 106
Peer-Group = Gruppe von Gleichaltrigen im Jugendalter, die oft als Orientierung für den Übergang von der Kindheit zum Erwachsenalter dient. In dieser Lebensphase sind oftmals die Normen und Werte der Peer-Group wichtiger als das, was die Eltern versuchen zu vermitteln.
hierarchisch = die Rangordnung, Rangfolge, Über- u. Unterordnungsverhältnisse betreffend
Erikson, Erik H.: 1998 aaO Seite 139
defizitär = mit einem Mangel, Schwäche oder Nachteil behaftet bzw. dazu führend
Der Operator „Erläutern“ fordert Sie auf, einen Sachverhalt, in dieser Aufgabenstellung die Entwicklungsmodelle von Freud und Erikson, mit zusätzlichen Informationen, also an dem selbstgewählten Beispiel, nachvollziehbar zu veranschaulichen. Sie müssen hier bei die Fachausdrücke benutzen, aber so verständlich erklären, dass ein nichtinformierter Mensch, aufgrund Ihrer Ausführungen weiß, worum es bei Freud und Erikson geht.
Der Operator „Herausarbeiten“ fordert Sie auf, die Aussagen, in diesem Fall die Unterschiede zwischen Eriksons und Freuds Modell, herauszuarbeiten, schriftlich darzustellen und verständlich zu machen.
Der Operator „Erörtern“ fordert Sie auf, die Vielschichtigkeit eines Beurteilungsproblems, hier die Bedeutung der Erziehung des Modells von Erikson, zu erkennen, darzustellen, dazu Thesen, Antithesen und dann Hypothesen zu erfassen. Sie formulieren Argumente und beenden Ihre ausführliche Erörterung mit einer eigenen, persönlichen, gut begründeten und nachvollziehbaren Schlussfolgerung.
Der Operator „Einordnen“ fordert Sie auf, einen Sachverhalt, hier der folgende Text, in den Gesamtzusammenhang der Theorie von Erikson und in Verbindung mit Ihrem Vorwissen bzgl. Erikson einzuordnen und den Zusammenhang zu bestimmen. Ihre Aussagen müssen Sie verständlich begründen, jede Behauptung muss anhand des Textes belegt werden.
Erikson aaO. 1970, Seite 121
Erikson 1966 aaO., Seite 106
Bilstein, Johannes, „Entwicklung – Erziehung - Sozialisation“, Ernst Klett Verlag, Stuttgart 1982
Der Operator „Prüfen bzw. Überprüfen“ fordert Sie auf, eine eigene Meinung, Aussage, These und Hypothese, eine Argumentation, hier die von Bilstein, nachzuvollziehen, also mit eigenen Worten kurz zusammen zufassen, sie kritisch zu hinterfragen und auf der Grundlage Ihrer erworbenen Fachkenntnisse über Eriksons Modell begründet zu beurteilen. Hierbei dürfen Sie in Ihrem Fazit sehr wohl eigene praktische Lebenserfahrungen mit einfließen lassen, jedoch nicht alleine davon Ihr Urteil abhängig machen.
Asketisch = der streng enthaltsamen und entsagenden Lebensweise bzgl. sittlicher und religiöser Ideale entsprechend.
Darben = Entzug bzw. Verzicht erleiden lassen
Reich, Wilhelm: Kritik an Freud – in Reich Wilhelm: „Die Entdeckung des Orgons, Band 1“ Köln 1987, Seite 165-167
Der Operator „Herausarbeiten“ fordert Sie auf, die Aussagen des Textes von Wilhelm Reich zu ermitteln und darzustellen.
Der Operator „Zusammenfassen“ fordert Sie auf, die Kernaussagen des Textes von Wilhelm Reich komprimiert, also in gekürzter, aber inhaltswahrender Form, und in übersichtlicher Struktur darzulegen.
Der Operator „Entfalten“ ist gleichbedeutend mit dem Operator "Erklären"
Der Operator „Interpretieren“ fordert Sie auf, die oben beschriebene Fallstudie sachgemäß zu analysieren und auf der Basis methodisch reflektierten Deutens zu einer schlüssigen Gesamtauslegung bzgl. Eriksons Aussagen und den Erlebnissen von Michael zu gelangen.
Der Operator „Konsequenzen ziehen“ fordert Sie auf, aus den Positionen von Erikson, praktische Schlussfolgerung für den Umgang mit Michael E. zu ziehen.